Manning unter Druck von Militär und Justiz
Wikileaks-Informant entschuldigte sich vor US-Gericht für seine Enthüllungen
Seine Taten hätten im Rückblick »Menschen verletzt« und »die Vereinigten Staaten verletzt«, sagte der 25-jährige Manning mit zitternder Stimme am Mittwoch (Ortszeit) vor dem Militärgericht in Fort Meade bei Washington, während er sich der Richterin Denise Lind zuwandte. Das tue ihm leid.
Der junge Whistleblower, der als Militäraufklärer der US-Armee in Irak der Enthüllerplattform Wikileaks über 700 000 Dokumente zugespielt hatte, war während seiner dreiminütigen Erklärung sichtlich nervös und versuchte, die Tränen zurückzuhalten. Er habe mit »vielen Problemen zu kämpfen gehabt«, die bis heute andauern würden. Dennoch seien sie »keine Entschuldigung« für seine Enthüllungen. Die Entscheidung dazu habe er damals bewusst gefällt. Er sei sich dabei sicher gewesen, dass sie »Menschen helfen und nicht verletzen« würden. Hätte er damals gewusst, welche schweren Konsequenzen sie nach sich ziehen würden, dann hätte er versucht, »aggressiver von innerhalb des Systems aus« Einfluss zu nehmen. Er werde »den Preis zahlen«, wolle aber auch »ein besserer Mensch werden«, einen Universitätsabschluss und eine Ausbildung machen sowie die Beziehungen zu seiner Familie verbessern. Er hoffe, »an einen produktiven Ort in der Gesellschaft zurückzukehren«.
Der Obergefreite war vor Anfang August u. a. wegen Spionage, Geheimnisverrats, Computerbetrugs und Diebstahls für schuldig erklärt worden. Den Vorwurf der »Feindunterstützung«, der ihm lebenslang ohne Bewährung eingebracht hätte, ließ die Richterin allerdings fallen. Die Höchststrafe liegt nunmehr bei 90 Jahren.
Mannings kurze Aussage war Teil des letzten Prozessabschnittes, in dem das Strafmaß von Richterin Lind festgelegt wird. Es wird in der kommenden Woche erwartet.
In den vergangenen Tagen hatte die Verteidigung Zeugen zu Wort kommen lassen, die Mannings psychische Probleme erklärten. Hauptmann Michael Worsley, der ihn zwischen Dezember 2009 und Mai 2010 während seines Einsatzes in Irak behandelte, bezeugte, dass Manning unter enormem Stress stand. Er hatte Probleme mit seiner sexuellen Identität und war gleichzeitig in einer »hyper-maskulinen« Umgebung des Krieges. Der Kriminalpsychologe David Moulton bescheinigte Manning eine Geschlechtsidentitätsstörung, die sich durch den Dienst im Militär verstärkt habe. Manning sei der Auffassung gewesen, dass die Information, die er weitergab, »die Sicht der Welt auf die Kriege in Irak und in Afghanistan ändern könnte, sogar die Sicht auf alle zukünftigen Kriege«, sagte Moulton.
Wikileaks reagierte auf Mannings überraschende Entschuldigung mit Verständnis. Militär und Gericht würden ihm mit massivem Druck nur noch die »Selbsterniedrigung« lassen. In der nächsten Woche sei eine Strafe von 30 bis 40 Jahren Haft im Militärgefängnis zu befürchten, so Beobachter seines Unterstützernetzwerks gegenüber »nd«.
Manning (M.) ist mittlerweile auch Kunst und Kult: So im Theaterstück »The Radicalisation of Bradley Manning« von Tim Price, das in einer Gastaufführung des walisischen Nationaltheaters noch bis zum 25. August in Edinburgh zu sehen ist (l.). Und die Organisation »RootsAction« hat dem Nobelinstitut in Oslo 100 000 Unterschriften übergeben, die für Manning den Friedensnobelpreis fordern (r.).
Fotos: AFP/Mark Wilson;
dpa/Farrows Creative/National
Theatre Wales; AFP/Cornelius Poppe
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