Biofleisch erobert die Kochtöpfe

Öko-Landwirte setzen auf Qualität sowie Transparenz bei der Herstellung

  • Susanne Götze
  • Lesedauer: ca. 4.0 Min.

Mit jedem neuen Fleischskandal wird deutlicher, dass Alternativen zu minderwertigen Produkten nicht nur gebraucht, sondern auch immer mehr nachgefragt werden.

Früher interessierte die Wenigsten, woher der dampfende goldbraun gebrutzelte Weihnachtsbraten ursprünglich stammte. Das dürfte dieses Jahr angesichts der jüngsten Gammelfleischskandale anders sein. Und wenn der stolze Koch dann preisgeben muss, dass er die Gans bei einem Discounter erstanden hat, könnte dem einen oder anderen der Appetit vergehen. Um solche Überraschungen zu vermeiden, empfehlen Umweltorganisationen und Verbraucherzentralen, ökologisch hergestelltes Fleisch zu kaufen. Das Deutsche Tierhilfswerk hat jüngst sogar eine Positivliste mit 3000 Biofleisch-Anbietern herausgegeben.
»Die Fleischskandale liefern einen willkommenen Rückenwind für Biobetriebe«, sagt Biobauer Joachim Brych. Die Verbraucher würden angesichts solcher eher zufällig aufgedeckten Zwischenfälle im konventionellen Bereich zunehmend misstrauischer gegenüber »Geiz-ist-geil«-Angeboten.
Brych leitet seit 15 Jahren den Ökohof Kuhhorst in Brandenburg. »Wir sind die Pioniere einer neuen Lebensmittelproduktion«, erklärt der gelernte Agraringenieur nicht ohne Stolz. Und Pioniere hätten es immer schwer, fügt er lächelnd hinzu. Auch während seines Studiums in der BRD der 1970er Jahre sei die Idee einer alternativen Landwirtschaft belächelt worden. Die Fleischskandale zeigen aber, wie dringend die Pionierarbeit der Biobauern gebraucht wird. Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft ist die Nachfrage nach Biofleisch in den letzten Wochen drastisch gestiegen. Bei Rind- und Schweinefleisch gebe es sogar schon leergekaufte Lager.
Auch beim Ökohof Kuhhorst läuft das Geschäft besser. Bauer Brych erwartet dieses Jahr einen Umsatzzuwachs um bis zu 30 Prozent. »Bei uns können Skandale mit Gammelfleisch einfach nicht passieren, denn unsere Herstellungsphilosophie ist eine ganz andere«, erklärt Brych. Sein Ökohof, Mitglied im Anbauverband Gäa - Vereinigung Ökologischer Landbau e.V., setzt auf gläserne Produktion, es gibt keine Geheimnisse oder Vertuschungen. Der »ökologische Demonstrationsbetrieb«, etwas abseits im 80-Seelen-Dorf bei Kremmen gelegen, bietet große Vielfalt: Neben der Tierhaltung - Rinder, Schweine, Ziegen, Enten und Gänse - wird auch Gemüse, Obst sowie Getreide erzeugt und gleich verarbeitet. Die Endprodukte kann man im Hofladen kaufen.
Vor Weihnachten kommen täglich Kunden aus dem nahen Berlin, um Gänse für den Festtagsbraten mitzunehmen. Im Gegensatz zur gefrorenen polnischen Mastgans bietet der aus einer LPG hervorgegangene Betrieb seinen Kunden eine frisch gerupfte Freilandgans an. »Wir wollen raus aus der Anonymität des industriellen Produktionsprozesses«, erzählt Brych, während er mit seinem grünen Transporter auf den Gänsestall zusteuert. Noch etwa 400 Tiere warten hier auf die Schlachtung. Den Sommer und Herbst über hatten die ehemals 800 Gänse auf über 15 Hektar - das entspricht der Größe von 30 Fußballfeldern - Auslauf; ab Oktober mussten sie aber wegen der Maßnahmen gegen die Vogelgrippe in den Stall. »Die Gänse werden bei uns sechs bis acht Monate alt, in konventionellen Betrieben höchstens drei bis vier Monate«, berichtet Brych. »Das hat enorme Auswirkungen auf das Endprodukt.« In herkömmlichen Zuchtbetrieben würden die Gänse in kurzer Zeit mit Hochleistungsfutter regelrecht hochgepuscht. Abgesehen von den tierfeindlichen Bedingungen, sei auch das Fleisch minderwertig, so Brych. Beim Schnellmastverfahren könnten die Tiere kein richtiges Muskelfleisch entwickeln, und es setze im Fleisch viel Wasser an. So sei das geschlachtete Tier zwar billiger, aber wenn das Wasser erst mal ausgekocht ist, habe man auch weniger davon. »Eine Ökogans dagegen hat Biss«, so der Biobauer.
Am Eingang des Stalls stehen große Behälter mit zerstoßenen Kartoffeln und Getreidekörnern. Während sich die Gänse im Sommer auf der Wiese ihr Futter holten, bekamen sie in den letzten Wochen selbstangebautes Kraftfutter. Antibiotika werden anders als in konventionellen Betrieben nicht zugesetzt. »Bei uns bekommen die Tiere nur Medikamente, wenn sie krank sind und der Tierarzt es verschreibt«, so Brych.
Gleich gegenüber vom Gänsestall ist das Schlachthaus. Hier werden die Tiere betäubt, ausgeblutet und schließlich in einen Brühkessel mit 67 Grad heißem Wasser gesteckt, damit sich die Federn besser entfernen lassen. Im Rupfraum wird dann per Hand nachgebessert. Nachdem die letzten Härchen dann »entflammt« sind, geht es weiter in den Ausweideraum. In einer Kühlzelle werden die ausgeweideten und entfederten Gänse schließlich heruntergekühlt und mit einer Einschweißmaschine verpackt.
Die Verarbeitung, aber auch die Fürsorge für die Tiere übernehmen auf dem Ökohof mehrheitlich behinderte Menschen, für die es auf dem ersten Arbeitsmarkt zunehmend schwerer wird, eine Anstellung zu finden. Im Laufe der Jahre sind über 100 bezahlte Arbeitsplätze in Kuhhorst entstanden, berichtet Brych.
Trotz der transparenten Produktionsweise, temporär ansteigender Umsätze und staatlicher Förderung haben Biobauern gerade im Fleischbereich noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Dazu tragen Studien bei, die die Geschmacksqualität in Zweifel ziehen. So ergab eine Prüfung von Stiftung Warentest im Jahr 2003, dass Rückensteaks vom Ökoschwein im Schnitt nicht besser schmecken als konventionelle Produkte. »Wir müssen zwischen Herstellungsweise und dem Endprodukt unterscheiden«, sagt Thilo Bode von der Verbraucherorganisation foodwatch. Die Herstellung des Bioproduktes sei umwelt-, tier,- und sozialverträglicher. Man könne aber nicht generell davon ausgehen, dass das Steak am Ende besser schmecke. Es komme zudem auf die Rasse des Tieres an. Außerdem gebe es auch im konventionellen Bereich zum Teil qualitativ hochwertiges Fleisch.
»Die Lebensmittelbranche wird sich über kurz oder lang in einen Billig- und einen Hochqualitätsmarkt aufsplitten, und Bioprodukte gehören sicherlich zum letzteren«, konstatiert Claus Deblitz von der Bundesforschungsanstalt für Landwirtschaft. Beim Verbraucher seien aber trotz des größer gewordenen Interesses immer noch »ideologische Barrieren« vorhanden. Dazu kämen Schwächen in der Vermarktung. »Die Biofleisc...

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