Keine Kitaplätze für Flüchtlingskinder
Grüne Piraten und LINKE fordern mehr Betreuungsangebote in Wohnortnähe
Nur sechs Prozent aller Berliner Flüchtlingskinder, die in Wohnheimen wohnen, besuchen eine Kita. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf Anfragen von Piraten und Grünen hervor, die »nd« vorliegt. Der Lösungsvorschlag von Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD): Ihr Amt will Informationen in weitere Sprachen übersetzen und Flüchtlingsfamilien zugängig zu machen, schreibt sie in der Antwort.
Auch Flüchtlingskinder haben das Recht auf einen Kitaplatz, vorausgesetzt, sie leben bereits drei Monate lang in Deutschland. Im letzten Kitajahr sind sie sogar verpflichtet, Sprachlernangebote in Kitas wahrzunehmen. Die Gründe für den geringen Kitabesuch liegen nicht etwa am fehlenden Elterninteresse. Uta Sternal vom Internationalen Bund, der Asylheime betreibt, sagt, es gäbe einfach keine Kitaplätze in der Nähe von Heimen. »Einige Bezirksämter wie Treptow-Köpenick drohen Bußgelder in Höhe von 500 Euro an, wenn unsere Kinder die Sprachförderung nicht wahrnehmen. Wir finden aber gar keine Kita für sie.«
Schwierig ist das auch, weil diese Kinder wegen der Arbeitslosigkeit ihrer Eltern nur das Recht auf einen Halbtagsplatz haben. Wegen vier Stunden Kitabetreuung fahren Eltern aber nicht ans andere Ende der Stadt. Bei der Arbeiterwohlfahrt, die auch Asylheime betreibt, haben einzelne Sozialarbeiter schon resigniert. Eine Sozialarbeiterin aus einem Spandauer Heim sagt: »Wir haben 20 Kinder, die trotz Schulpflicht keinen Schulplatz bekommen. In meiner knappen Zeit ist es wichtiger, dieses Problem anzugehen«, sagt sie. »Ich hatte schon Eltern, denen das Jugendamt den Antrag gar nicht abgenommen hat. Andere standen ein Jahr auf der Warteliste.«
Tempelhof-Schönebergs Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD) gesteht ein, dass in seinem Bezirk Kitaplätze in der Nähe von Asylheimen nicht ausreichend zur Verfügung stehen. Lichtenbergs Jugendstadträtin Sandra Obermeyer (LINKE) sieht dieses Problem in ihrem Bezirk zwar nicht, macht aber auf Kommunikationsschwierigkeiten mit den Ämtern aufmerksam. Das Problem: Bei Flüchtlingen ergibt sich das zuständige Jugendamt nicht aus dem Wohnort, sondern aus dem Geburtsmonat des Familienoberhaupts. Wurde der Vater im Januar geboren, muss Pankow die Familien über Kitaangebote beraten, egal wo die Familie wohnt. Obermeyer: »Da müssen wir mal auf Berliner Ebene beraten, ob das zielführend ist.« Die Kritik teilt auch der Piratenabgeordnete Fabio Reinhardt. Weiter erklärt er, durch die gesetzliche Regelung zur vorschulischen Sprachförderung sei der Senat in der Pflicht, für genügend wohnortnahe Kitaplätze zu sorgen. »Davon ist Berlin derzeit weiter entfernt denn je.«
Die grüne Jugendpolitikerin Marianne Burkert-Eulitz sagt, bei diesem Mangel an Plätzen seien die Familien im Vorteil, die mit den Ämtern kommunizieren und notfalls auch vor Gericht ziehen können. Auch sie fordert mehr Kitas in Heimnähe.
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