Sport mit Rücksichtnahme auf den Einzelnen

Am Wochenende fand in der Max-Schmeling-Halle ein bundesweites Turnier für Rolli-Kids statt

  • Florian Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Kinder und Jugendlichen stürzen sich immer wieder ins Getümmel um den Ball. Der ist sehr groß - die Spielertrauben aber auch. Der Grund: Die Kids sitzen in Rollstühlen.

Aus vielen Teilen der Republik sind sie für das Wochenende in die Max-Schmeling-Halle in Prenzlauer Berg gekommen, um den zweiten bundesweiten »Wheel-Soccer-Cup der Rolli-Kids« auszutragen. Zehn Teams treten bei diesem in Deutschland bislang einmaligen Turnier gegeneinander an.

Beim Wheel-Soccer sitzen alle Teilnehmer in Rollstühlen, unabhängig davon, ob sie beeinträchtigt sind oder nicht. Das Ziel ist es, einen Gymnastikball mit der Hand oder auch direkt mit dem Rollstuhl ins gegnerische Tor zu befördern.

Die Begeisterung am Spiel und an der Bewegung ist den zahlreichen Teilnehmern deutlich anzumerken. Einige von ihnen spielen hier zum ersten Mal Wheel-Soccer. Da Wendigkeit und Schnelligkeit wichtig sind, eignen sich Sportrollstühle gut - für die Offensive. Spieler mit starken körperlichen Beeinträchtigungen, etwa einer Spastik, nutzen wesentlich größere Elektro-Rollstühle - und die sind in der Defensive wertvoll, denn mit ihnen können die gegnerischen Angriffsbemühungen effektiv abgeblockt werden. Wheel-Soccer zeichnet sich also dadurch aus, dass auch Menschen mit einer starken körperlichen Beeinträchtigung teilnehmen können.

Ausrichter des Turniers ist der Sportverein Pfefferwerk. Seine Rollstuhlsportgruppe heißt Pfefferteufel. Neben Wheel-Soccer werden bei Pfefferwerk viele andere Sportarten ausgeübt. Es handelt sich um den größten Kinder- und Jugendsportverein im Bezirk Pankow. Fast 4000 Menschen sind hier in 200 Gruppen aktiv. Ein besonderes Anliegen des Vereins ist es, den Gedanken der Inklusion, also der Teilhabe behinderter Menschen am ganz normalen gesellschaftlichen Leben, im Freizeitsportbereich zu etablieren.

Oliver Klar ist der Sportintegrationsberater. Er ist federführend an der Organisation des Turniers beteiligt. »Heute nehmen doppelt so viele Mannschaften am Turnier teil wie im letzten Jahr«, stellt er zufrieden fest. Der Hallenabschnitt, in dem das Turnier stattfindet, ist tatsächlich überaus gut gefüllt. Als Fußgänger hat man das Gefühl, den vielen Rollifahrern, die klar in der Mehrzahl sind, ständig im Weg zu stehen.

Durch die gestiegene Teilnehmerzahl ist allerdings auch das Reglement wichtiger geworden. »Man merkt, wie im Laufe des Turniers zunehmend eine Dynamik entsteht und der Ehrgeiz unter den Spielern stärker wird«, sagt Klar. Die Schiedsrichter achten deshalb genauer als noch im letzten Jahr auf die Einhaltung der Regeln. So darf zum Beispiel immer nur ein Spieler in Ballbesitz sein. »Bei einzelnen Spielern mit besonderen Bedürfnissen gibt es aber auch Ausnahmen«, betont Klar. So nimmt zum Beispiel eine Torhüterin teil, der es schwer fällt, den Ball festzuhalten. Bei ihr reicht schon eine einfache Ballberührung, um ein Tor zu verhindern. Die Organisatoren des Wheel-Soccer-Cup beschreiten also einen schmalen Grat zwischen verbindlichen Regeln für alle und Rücksichtnahme auf den Einzelnen. Sie tun dies mit Erfolg: Wenigstens hier ist Inklusion vorübergehend Realität.

Turniersieger wurde übrigens der Hamburger SV nach Fünfmeterschießen im Finale gegen die Trier Dolphins. Aber das war fast nebensächlich.

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