Sintflut im Osten Russlands

Wassermassen überrollen mehr als hundert Städte und Dörfer

  • Axel Eichholz, Moskau
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Überflutung am Amur hat mehr als hundert Orte in Russlands Fernem Osten unter Wasser gesetzt. Zehntausende mussten evakuiert werden. 30 000 Helfer sind im Einsatz, weil die Pegel immer weiter steigen. Die Getreideernte ist vernichtet.

Was sich im russischen Fernern Osten abspielt, erinnert immer mehr an die biblische Sintflut. Nur spielt sie sich nicht in der Gegend zwischen Tigris und Euphrat, sondern zwischen dem Amur und dessen Nebenflüssen ab. Im Verwaltungsgebiet Amur sind 102 Ortschaften überschwemmt. In 78 von ihnen stehen 5380 Häuser mit 29 916 Einwohnern voll oder teilweise unter Wasser. 420 000 Hektar landwirtschaftlich nutzbares Land wurden überflutet. 463 Kilometer Autostraßen und 60 Brücken wurden beschädigt. 15 800 Menschen wurden seit Beginn der Hochwasserkatastrophe evakuiert.

Im Jüdischen Autonomen Gebiet sind 24 Ortschaften inklusive der Hauptstadt Birobidschan betroffen. 3646 Menschen wurden evakuiert.

Die Großstadt Chabarowsk mit ihren mehr als einer halben Million Einwohnern liegt am hohen rechten Ufer, und deren Einwohner fühlen sich in Sicherheit. Am flachen linken Ufer, wo die meisten Bürger ihre Datschengrundstücke haben, stehen Häuser zum Teil bis über das Dach unter Wasser. Die Gemüseernte ist verloren.

Am Sonnabend hat der Pegel bei Chabarowsk seinen historischen Höchststand erreicht. 1897 waren dort 642 Zentimeter gemessen worden, an diesem Wochenende 649. Gestern nahm der Wasserstand laut der Zeitung »Kommersant« noch einmal um zehn Zentimeter zu, und er steigt weiter. Die Rekordhöhe wird nächsten Sonnabend mit siebeneinhalb Metern erwartet. In dem Fall müssen die Talsperren an den Flüssen Seja und Bureja voll geöffnet werden. Dann werden weiter flusswärts liegende Ortschaften von den Fluten überrollt. Bis zu 100 000 Einwohner müssten in Sicherheit gebracht werden. Indes haben nicht enden wollende Regenfälle Magadan und die Halbinsel Kamtschatka im äußersten Nordosten Russlands erfasst.

Die vorhandenen Dämme reichen nicht aus, weil sie nur ausreichend für den bisherigen Höchststand gebaut wurden. Freiwillige bauen sie mit Sandsäcken weiter auf. Wenn das Wasser weiter steigt, und das scheint unvermeidbar, werden sie weggeschwemmt. Jetzt ist Berichten zufolge auch Armeetechnik im Einsatz. 5000 Soldaten, 650 Baumaschinen sowie 40 Hubschrauber und Flugzeuge wurden hingeschickt. Ein Militärspital wurde in das Katastrophengebiet verlegt. Mehr als 30 000 Angehörige verschiedener Notdienste seien mit der Folgenbeseitigung befasst, heißt es.

Bei einer Beratung am Wochenende wies Präsident Wladimir Putin die Rettungskräfte an, »nicht Eisen, sondern Menschenleben« zu retten. Da die Getreideernte in den östlichen Gebieten Russlands nahezu vollständig vernichtet wurde, sollen günstige Tarife für Lebensmitteltransporte per Eisenbahn eingeführt werden. Auch soll es Billigkredite für den Kauf neuer Landmaschinen an Stelle der überfluteten geben.

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