Was tun gegen Altersarmut?
Teil III der nd-Serie zur Bundestagswahl
Eine der zentralen Botschaften der beiden letzten großen Rentenreformen lautete: Die Sicherung des Lebensstandards bleibt trotz der Absenkung des Rentenniveaus und der Verlängerung des Renteneintrittsalters auf 67 möglich - danke der privaten Vorsorge. Dieses Versprechen ist durch die Wirklichkeit widerlegt worden. Inzwischen glaubt, wie eine Umfrage des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) aus dem Jahre 2012 zeigt, fast jeder vierte Arbeitnehmer, dass seine Rente nicht zur Lebenssicherung ausreicht, bei den 25- bis 35-Jährigen ist es jeder zweite. Das Thema Altersarmut hat auch den Parteien die rentenpolitische Programmatik diktiert, mit der sie sich am 22. September zur Bundestagswahl stellen.
Wer heute in den Ruhestand geht, tut dies in der Regel mit starken Abschlägen, bei sinkenden und in Ost und West weiterhin ungleichen Leistungen. 2011 meldete das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin, dass die durchschnittlichen Neurenten im Westen bei 820 Euro und im Osten bei 800 Euro liegen. Abschlagsfrei geht nur noch eine Minderheit in Rente. Besonders hoch ist der Anteil bei den Ostfrauen, die zu 82 Prozent Minderungen hinnehmen müssen, was bei ihren männlichen Westkollegen nur zu 50 Prozent der Fall ist. Die Zunahme der Beschäftigung in den vergangenen Jahren ist durch Altersarmut erkauft, da mit Niedriglöhnen kaum Rentenansprüche erworben werden. Die private Altersvorsorge kann weder bei Gering- noch bei Normalverdienern den Lebensstandard sichern, weil sich deren Renditen auf einem historischen Tiefpunkt befinden. Außerdem gehen von jedem eingezahlten Euro schon 16 Cent für Verwaltung und Provisionen ab.
CDU
Die Rente mit 67 soll beibehalten werden. Geplant ist aber eine Überprüfung der »starren« gesetzlichen Altersgrenze mit dem Ziel, dass mehr Ältere auch im Rentenalter beruflich aktiv bleiben
In der »Kombirente« werden die Zuverdienstregeln ausgeweitet, die Verdienstgrenzen für Teilzeitarbeit werden angehoben.
Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, sollen in Zukunft einen Rentenpunkt mehr erhalten.
Einführung der Lebensleistungsrente: Menschen, die mindestens 40 Jahre in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und eine private Altersvorsorge haben, erhalten Rentenaufstockung bis 850 Euro, falls ihr Einkommen nicht das Grundsicherungsniveau erreicht.
SPD
Die gesetzliche Überprüfungsklausel bei der Rente mit 67 soll angewendet werden.
Schrittweise Angleichung der Ostrenten bis 2020; Solidarrente von 850 Euro für Geringverdiener bei mindestens 40 Versicherungsjahren und mindestens 30 Beitragsjahren.
Ab 45 Versicherungsjahren wird eine abschlagsfreie Rente schon mit 63 Jahren möglich.
FDP
Die FDP ist gegen starre Altersgrenzen für den Renteneintritt. Ab dem 60. Lebensjahr sollte jeder den Zeitpunkt des Renteneintritts frei wählen können, wenn die Ansprüche aus privater, gesetzlicher und betrieblicher Altersvorsorge höher als das Grundsicherungsniveau sind.
Zuverdienstgrenzen sollen abgeschafft werden.
Die Höhe der Rente soll den eingezahlten Beiträgen entsprechen, sozialpolitische Leistungen werden nicht über Beiträge bezahlt.
Die »Vereinheitlichung des Rentenrechts in Ost und West« gilt als »Gebot der Fairness«; ein Termin wird nicht genannt.
Stärkung der Privatvorsorge auch für Geringverdiener;
gegen eine Rücknahme der Rentenreformen;
gegen die Ausweitung der Versicherungspflicht auf Selbstständige.
LINKE
Das gesetzliche Rentenniveau soll wieder auf 53 Prozent des Netto-Durchschnittsverdienstes angehoben und die Rente mit 67 rückgängig gemacht werden.
Die Ostrenten werden bis spätestens 2017 angeglichen.
Auf alle Erwerbseinkommen, das heißt auch die von Selbstständigen, Beamten und Politikern, werden Beitrage erhoben.
Es soll eine solidarische Mindestrente von 1050 Euro geben.
Zeiten niedriger Löhne, der Erwerbslosigkeit, Kindererziehung und Pflege werden durch die Rentenversicherung besser bewertet.
Grüne
Die Rente mit 67 soll beibehalten werden.
Die Rentenwerte Ost und West werden angeglichen.
Eine steuerfinanzierte »Garantierente« von mindestens 850 Euro wird ab 30 Versicherungsjahren versprochen. »Wir unterscheiden dabei nicht zwischen Teilzeit- und Vollzeittätigkeit und beziehen bis zu 10 Jahre der Kinderbetreuung und Zeiten der Arbeitslosigkeit mit ein.«
Eine abschlagsfreie Erwerbsminderungsrente soll wieder ab 63 Jahren möglich sein.
Die Rente soll langfristig als Bürgerversicherung finanziert werden.
Es ist daher nicht übertrieben, wenn Ulrich Schneider, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, eine Anhebung der Renten fordert: »Wir können es nicht zulassen, dass das Rentenniveau einfach auf 42 Prozent weiter sinkt, und uns dann staunend anschauen, wie die Altersarmut wächst. Wir brauchen die Festschreibung auf 50 Prozent, anders werden wir dieser Lawine altersarmer Menschen, die da auf uns zurollt aus dem Niedriglohnsektor, kaum aufhalten können.«
SPD, CDU/CSU und Grüne versprechen nun lediglich einige Korrekturen. Ihre Modelle (»Solidarrente«, »Lebensleistungsrente« und »Garantierente«) bieten jeweils 850 Euro für diejenigen an, die das ganze Leben gearbeitet haben und für die das Geld am Ende doch nicht reicht. Eine steuerfinanzierte Mindestrente, bei der wie immer das Kleingedruckte entscheidend ist. Bei der SPD und den Grünen reichen dreißig Versicherungsjahre für die Mindestrente. Bei der CDU sind es schon vierzig, außerdem gibt es ohne private Vorsorge keine Lebensleistungsrente. Ergänzt werden diese Konzepte jeweils mit Special-Interest-Angeboten: Mehr Rentenpunkte für Mütter, weniger Abschläge für Erwerbsminderung, Teilzeit- und Kombirenten. Grüne, CDU/CSU und FDP verbinden dies mit der Klarstellung, dass ansonsten an der Rentenabsenkung nichts geändert werden solle und bekennen sich demonstrativ zur Rente mit 67. Anders die SPD, die bei diesem Thema zunächst ihren guten Willen betont: »Wir wollen nicht, dass sich die Anhebung des Renteneintrittsalters wie eine Kürzung der Renten auswirkt.« Sehr überraschend für die SPD hat sich nämlich herausgestellt, dass die Mehrheit der über 60-Jährigen keinen Job hat. Nun soll von einer Überprüfungsklausel im Gesetz Gebrauch gemacht werden. Der DGB möchte auf dieser Grundlage die Rente mit 67 zumindest aussetzen. Und die SPD möchte, dass der DGB glaubt, dass das mit ihr ginge.
Lediglich die LINKE spricht sich für eine grundsätzliche Anhebung der Rente aus. Eine Schnittmenge mit den Forderungen der SPD gibt es bei der Einbeziehung der Selbstständigen in die Rentenversicherung. Die Gemeinsamkeiten zwischen Linkspartei und Grünen sind am stärksten ausgeprägt: Beide wollen nach dem Modell Bürgerversicherung alle Erwerbseinkommen in die Rentenversicherung einbeziehen.
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