Dörfer mit Charakter

In Sachsen präsentieren sich 20 kleine Orte als Reservate ländlich-bodenständigen Charmes

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 3 Min.
Sachsen versucht sich in einem bundesweit neuartigen Reisesegment: Um den Landtourismus zu professionalisieren, setzt man auf authentisches Dorfleben in der Nähe attraktiver Kulturstädte.

Sachsens Tourismus boomt, 2012 besuchten 7,05 Millionen Auswärtige den Freistaat mit seinen vier Millionen Einwohnern. Die Hälfte der Gäste steuerte dabei die Metropolen Dresden und Leipzig an. Doch auch der ländliche Raum legt wieder zu. Immerhin leben rund 30 Prozent aller Sachsen in Orten mit weniger als 2000 Einwohnern. So verbuchte der mittelgebirgige Südwesten zwischen Chemnitz und dem Vogtland ein neues Allzeithoch. Allein das Erzgebirge lockte 3,16 Millionen Besucher an.

Drei Prämissen

Fraglos ist das auch Ergebnis einer neuen Tourismusstrategie des Landes, die stärker auf den ländlichen Raum fokussiert. Bereits 2011 adelte die Tourismus Marketing Gesellschaft Sachsen mbH (TMGS) erste Dörfer als Botschafter des ländlich-bodenständigen Charmes zwischen Oberlausitz und Muldental. Mittlerweile wuchs dieser Kreis auf 20 Landschönheiten. Ihre Vertreter taten sich zu einer Anbietergemeinschaft zusammen und vermarkten sich mit Hilfe der TMGS seit 2013 unter dem Logo »Land. Leute. Lebensart«. So zeigte man auch zur ITB in Berlin vereint Flagge.

Allen Orten gemeinsam sind drei Prämissen: Sie liegen sowohl inmitten idyllischer Natur als auch unweit bedeutender Kulturstädte - so auch Chemnitz, Bautzen, Grimma, Freiberg, Görlitz, Pirna, Plauen, Zittau oder Zwickau. Und sie haben natürlich selbst einiges zu bieten an authentischem Brauchtum, uralten Traditionen, erlebbarem Handwerk oder bedeutsamen Sehenswürdigkeiten. »Wie in keinem anderen Bundesland liegen bei uns urbane Städte, rustikale Dörfer und touristisch attraktive Ziele so dicht beieinander«, sagt Birgit Gottlöber, die das Projekt bei der TMGS in Dresden koordiniert.

Da glänzt Frohnau mit einem mittelalterlichen Hammerwerk, Taubenheim mit zahlreichen Sonnenuhren, Hinterhermsdorf mit einer märchenhaften Sandsteinwelt, Obercunnersdorf mit 250 Umgebindehäusern. Und Schwarzkollm hat die bereits verfilmte Legende von Krabat und dem schwarzen Müller zu bieten. Daneben finden sich im ländlichen Reigen das sorbische Vorzeigedorf Schleife, das barocke Rammenau, das Winzerdomizil Diesbar-Seußlitz, Seiffen mit den weltberühmten Holzkünstlern oder Blankenhain, dessen opulentes Schloss ein einzigartiges Landwirtschaftsmuseum birgt.

Ganz anders die Pfründe im vogtländischen Morgenröthe-Rautenkranz: Es gilt als kältester Ort in Sachsen und ist der Geburtsort von Sigmund Jähn. So lässt sich hier inmitten uriger Wandernatur auch die Faszination moderner Astronautik erleben - in einer exklusiven Deutschen Raumfahrtausstellung.

Mancher Antrag fiel durch

Carolin Schuttwolf, die junge Tourismusfrau des 800-Seelen-Dorfes, ist dankbar für den Ritterschlag, zu dem erlauchten Kreis zu gehören. Denn einerseits erhalte man damit auch handfeste Hilfe bei der touristischen Arbeit, andererseits erlebt sie die Treffen der Anbietergemeinschaft als höchst befruchtende Seminare. Als bisher jüngste Aspiranten rückten Ende Juni Saupsdorf (Sächsische Schweiz) sowie Ende 2012 Jößnitz bei Plauen in die Gruppe auf.

Um Aufnahme in die neue Dachmarke bewarben sich noch deutlich mehr Orte. Doch mancher fiel bei der sorgfältigen Begutachtung durch. Denn eine Fachjury schaute recht unerbittlich hinter die Fassaden. Zu den wichtigsten Kriterien, um letztlich zertifiziert zu werden, gehört etwa, dass das Dorf wirklich noch ein Dorf ist. »Also mit Dorfanger, einem intakten ländlichen Leben samt agrarischer Erwerbsstruktur sowie einer Natur im Umfeld, in der man denn auch Urlaub machen will«, so Birgit Gottlöber. Weiter nennt sie eine »unverzichtbare infrastrukturelle Grundausstattung« mit ausreichend Gästebetten, Dorfläden und regional verwurzelten Landgasthöfen, mit Wegenetzen sowie attraktiven Sehenswürdigkeiten.

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