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Hellersdorf lautstark gegen Neonazis

Rund 700 Antifaschisten, Flüchtlinge und Anwohner stellen sich gegen rechtsextreme Kundgebung

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Eine Kundgebung von rund 20 Rechtsextremisten gegen eine Notunterkunft für Flüchtlinge in Berlin-Hellersdorf wurde am Dienstagabend lautstark von 700 Nazigegnern gestört. Die Polizei nahm mehrere Menschen fest.

Der Rückzug fällt ungeordnet aus. Kurz vor 21 Uhr werden die rund 20 Neonazis von der Berliner Polizei am Alice-Salomon-Platz in Hellersdorf fluchtartig durch die Gegendemonstranten in eine wartende Tram verfrachtet. Über 700 Menschen, zumeist junge Antifaschisten, Anwohner und Flüchtlinge hatten bis dahin die Kundgebung der Rechtsextremen, die gegen 19 Uhr am Dienstagabend überraschend am Alice-Salomon-Platz und nicht wie angemeldet vor der nahegelegenen Notunterkunft für die Flüchtlinge in der Carola-Neher-Straße begonnen hatte, zum Desaster gemacht. Eingekesselt von den lautstarken Demonstranten und abgeriegelt von der Polizei konnten sich die Rechtsextremen, die sich mit Wahlplakaten der NPD und einem Transparent aufgestellt hatten, in der Hellersdorfer Anwohnerschaft fast kein Gehör verschaffen. Permanent übertönt wurde die ausländerfeindliche Hetze der Nazis durch Slogans wie »Refugees are welcom here« - »Flüchtlinge sind hier willkommen« oder Schmähgesänge, Buh-Rufe sowie Pfiffe der Antifaschisten. Vereinzelt flogen auch Eier auf die Neonazis.

Politiker von Linkspartei, Piraten und Grünen zeigten vor Ort ebenfalls Flagge gegen die Rechten. Der innenpolitische Sprecher der LINKEN, Hakan Taş, erklärte gegenüber »nd«, er wolle bei der Polizei wegen des aus seiner Sicht volksverhetzenden Inhalts zweier NPD-Plakate Anzeige gegen den Versammlungsleiter der Rechten erstatten. Laut Polizeisprecher Stefan Redlich handelt es sich beim Anmelder um eine Privatperson. Nähere Angaben wollte die Polizei nicht machen. Für eine Privatveranstaltung führten die Rechten, unter ihnen auch einige verurteilte Gewalttäter aus dem Spektrum der sogenannten Autonomen Nationalisten, auffällig viel Propagandamaterial der NPD mit. Kurz vor Veranstaltungsbeginn hatte auch die umstrittene Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf die rechte Kundgebung im Internet beworben. Der Initiative, die seit Wochen anonym gegen die Notunterkunft in Hellersdorf Stimmung macht, werden auch vom Verfassungsschutz personelle Verflechtungen in die rechtsextreme Szene nachgesagt. Die Internetpräsenz der zweifelhaften Initiative wurde unterdessen erneut blockiert.

Bei kleineren Rangeleien während der Kundgebung nahm die Polizei am Dienstagabend mit sogenannten Greiftrupps mehrere Menschen fest - sowohl Neonazis als auch einige Gegendemonstranten. Polizeisprecher Stefan Redlich bestätigte gegenüber »nd« zunächst sieben Festnahmen. »Der Hintergrund dafür waren Landfriedensbruch und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz sowie eine versuchte Gefangenenbefreiung«, erklärte Redlich.

Nach der Auflösung der rechten Kundgebung versammelten sich am späten Dienstagabend erneut mehrere hundert Unterstützer der Flüchtlinge friedlich vor der Notunterkunft. Eine am Montagabend spontan ins Leben gerufene Mahnwache vor Ort wurde vom Anmelder Dirk Stegemann inzwischen für eine ganze weitere Woche angemeldet. Am Dienstagnachmittag hatte Stegemann noch eine Räumung der Mahnwache befürchtet. »Gegen micht liegt laut Polizei eine Anzeige des Bezirks Marzahn-Hellersdorf und der amtierenden Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle von der Linkspartei vor«, berichtete Stegemann. Aus Parteikreisen wurde dies umgehend dementiert. »Dagmar Pohle hat uns gegenüber versichert, dass sie niemanden angezeigt habe«, erklärte der Landessprecher der LINKEN.

Für die Flüchtlinge selbst ist die Situation in Hellersdorf derweil weiterhin untragbar. Konfrontiert mit einer teils feindselig gesonnenen Anwohnerschaft und unter dem Eindruck des riesigen Medieninteresses haben sich einige Flüchtlinge bereits nach einem Tag entschlossen, wieder in die Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in der Motardstraße in Spandau zurückzukehren. »Sie fühlen sich bedroht«, sagte die Sprecherin des Berliner Flüchtlingsrats, Martina Mauer. »Wir wollen hier doch einfach nur friedlich leben«, erzählt ein Flüchtling unter Tränen. »Als ich mein Land verließ, hatte ich keine Chance.« Und: »Warum werden wir hier nicht beschützt?«

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