Neues Modell für Arsen im Wasser
Verfahren kann Risikopotenzial von Brunnen vorab einschätzen
Schluck für Schluck nehmen Millionen von Menschen mit dem Grundwasser giftiges Arsen auf. Die Folgen sind fatal: Hautverfärbungen, Geschwüre, Krebs. In Südostasien, China, Südamerika, auch in Ungarn, Teilen der Schweiz und den USA ist die Gefahr allgegenwärtig. Für Bangladesch sprechen Wissenschaftler von einer Massenvergiftung.
Und nein: Hier bringt nicht der Mensch das Gift in die Umwelt - natürliche Prozesse lassen Arsen ins Grundwasser gelangen. Doch wo genau? In einem Riesenland wie China jeden Grundwasserbrunnen zu testen, dauert Jahre. Ein neues Risikomodell ermöglicht jetzt gute Abschätzungen. Das von Wissenschaftlern des Schweizer Wasserforschungsinstituts Eawag in Dübendorf (Eawag) und Kollegen der Medizinischen Universität Shenyang in China entwickelte Modell wurde im Fachblatt »Science« vorgestellt.
»Durch die Studie wissen wir nun: Allein in China sind an die 20 Millionen Menschen von belastetem Wasser betroffen«, sagt die Eaweg-Geochemikerin Annette Johnson. Die Forscher haben dafür Daten zu Geologie, Erdoberfläche und Bodenbeschaffenheit zusammengeführt und mit Messungen aus Brunnen ergänzt. Die Weltgesundheitsorganisation gibt einen Schwellenwert von 10 Mikrogramm pro Liter an. Auf einer China-Karte ist nun zu sehen, wo eine erhöhte Belastung am wahrscheinlichsten ist. Johnson sagt: »Das ist kein Ersatz dafür, dass vor Ort Proben entnommen werden. Die Behörden können hier jedoch ablesen, wohin Experten zuerst zu schicken sind. Wir haben ganz neue Risikogebiete ausgemacht.«
Johnson wie auch ihr chinesischer Teamkollege Guifan Sun wissen: Ist ein Brunnen verseucht, kann zehn Meter weiter sauberes Wasser zu finden sein. Messungen ermöglichen, den einen Brunnen zu sperren und auszuweichen - oder das Wasser zu reinigen. Guifan Sun ist zuversichtlich: »Die Studie wird dazu beitragen, dass die Behörden dem Thema größere Aufmerksamkeit schenken.«
Das Modell eignet sich auch für andere Teile der Welt, meint Co-Autor Luis Rodriguez-Lado: Trockengebiete wie etwa den Südwesten der USA, wo hohe Konzentrationen von Arsen festgestellt wurden. Die Experten arbeiten darauf hin, dass Wasserqualität Eingang in die Millenniumsziele der Vereinten Nationen findet.
Auch in der Schweiz gibt es örtlich begrenzt Arsen im Grundwasser, beispielsweise im Tessin, im Wallis und in Graubünden. Wer hier über Jahrzehnte unbehandeltes Grundwasser trinkt, könnte theoretisch gesundheitliche Folgen davontragen. Denn die Schweiz hat den zulässigen Schwellenwert anders als die Länder der Europäischen Union auf 50 Mikrogramm pro Liter belassen. In den kommenden Monaten wird die Entscheidung über eine Senkung des Schwellenwerts erwartet.
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