Neue Vorwürfe gegen de Maizière wegen Hubschraubern
Bericht unter Verschluss gehalten: Verteidigungsministerium will offenbar ungeeignetes Modell für fast eine Milliarde Euro kaufen / Drohnen-Ausschuss beendet Arbeit
Berlin (Agenturen/nd). Nach dem Debakel mit der Aufklärungsdrohne »Euro Hawk« treibt das Verteidigungsministerium einem Zeitungsbericht zufolge trotz erheblicher Zweifel ein weiteres umfangreiches Rüstungsprojekt voran. Ein unter Verschluss gehaltener Bericht der Bundeswehr komme zu dem Ergebnis, dass der Helikopter »NH90« als »mehrrollenfähiger Hubschrauber« für die Marine ungeeignet sei, berichtete die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« in ihrer Montagsausgabe. Dennoch wolle das Verteidigungsministerium 18 »NH90« in der Version »NFH NGEN Sea Lion« im Wert von 915 Millionen Euro für die Seestreitkräfte anschaffen. Die Hubschrauber werden vom deutsch-französisch-spanischen Luftfahrtunternehmen Eurocopter hergestellt.
In dem Bericht vom Juli 2011 wird laut »FAZ« das Ergebnis einer Ausschreibung zusammengefasst, in deren Folge sich die Marine für die Beschaffung eines Hubschraubers der US-Firma Sikorsky ausgesprochen habe. Das Bieterverfahren sei jedoch vom Verteidigungsministerium Ende Oktober 2011 mit der Begründung aufgehoben worden, die erforderlichen Haushaltsmittel stünden nicht zur Verfügung. Im März dieses Jahres habe das Ministerium den Auftrag dann ohne neue Ausschreibung an Eurocopter vergeben. Dabei setzte es sich dem Bericht zufolge über eine vom Verteidigungsausschuss erhobene Forderung hinweg, das Vorhaben zunächst im Parlament zu beraten.
Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels warf Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) ein »abgekartetes Spiel mit der Rüstungsindustrie zu Lasten der operationellen Einsatzfähigkeit der Marine« vor. »Das Vorgehen ist absolut inakzeptabel«, sagte er dem Blatt. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour, kritisierte einen »unfassbaren Vorgang am Parlament vorbei«.
Der Bundesrechnungshof rügte das Vorgehen des Verteidigungsministeriums laut »FAZ« öffentlich als wettbewerbswidrig. Das Ministerium wies die Kritik am Vergabeverfahren zurück. Es bestehe keine Verpflichtung zur Ausschreibung, sagte ein Ministeriumssprecher dem Blatt. Laut »FAZ« ging bei der Europäischen Kommission in Brüssel inzwischen eine Beschwerde gegen das Vorgehen des Verteidigungsministeriums ein. De Maizière und Rüstungsstaatssekretär Stéphane Beemelmans würden darin »mögliche Verstöße« gegen das europäische Wettbewerbs- und Vergaberecht vorgeworfen.
Derweil beendet der Drohnen- Untersuchungsausschuss des Bundestages am Montag seine Arbeit. Das Gremium hat 18 Zeugen vernommen und 1500 Akten zur gescheiterten Beschaffung der Aufklärungsdrohne »Euro Hawk« ausgewertet. Koalition und Opposition kommen zu unterschiedlichen Bewertungen der Affäre. Während SPD, Grüne und Linke Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) für die Verschwendung von Steuergeldern in dreistelliger Millionenhöhe mitverantwortlich machen und ihm eine Täuschung der Öffentlichkeit vorwerfen, sehen Union und FDP keine Fehler bei dem Minister.
Der Ausschuss wird heute über den Abschlussbericht mit den unterschiedlichen Bewertungen abstimmen. Anfang September wird es voraussichtlich eine Debatte im Plenum des Bundestages über die Ergebnisse der Ausschuss-Arbeit geben. Das Verteidigungsministerium hatte das Drohnen-Projekt Mitte Mai wegen massiver Probleme bei der Zulassung für den deutschen Luftraum gestoppt, nachdem es bereits 668 Millionen Euro investiert hatte. SPD und Grüne meinen, das Programm hätte bereits mehrere Jahre zuvor abgebrochen werden müssen.
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