Syrien: Bundesregierung schwenkt auf Kriegskurs
Westerwelle gibt Blanko-Zustimmung für »Konsequenzen« gegen Assad - aber keine direkte deutsche Beteiligung / Linkspartei kündigt Aktionen gegen Militäreinsatz an
Berlin (Agenturen/nd). In den Reihen der Regierungsparteien verschärft sich mit Blick auf den internationalen Konflikt um Syrien die Tonlage. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) sagte, die Verwendung »von chemischen Massenvernichtungswaffen« wäre »ein zivilisatorisches Verbrechen. Wenn sich ein solcher Einsatz bestätigen sollte, muss die Weltgemeinschaft handeln. Dann wird Deutschland zu denjenigen gehören, die Konsequenzen für richtig halten.«
Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte, es gebe »für die behauptete Unschuld des Assad-Regimes (...) derzeit keine Anhaltspunkte«. Eine »schwere Verletzung der internationalen Chemiewaffenkonvention« dürfe »nicht folgenlos bleiben«. Offenbar will sich die Bundesregierung nicht erneut so verhalten wie vor zwei Jahren mit ihrer Enthaltung bei der Abstimmung über einen Luftkrieg gegen Gaddafis Regime in Libyen. Allerdings ist offen, welche Rolle Deutschlands bei einem militärischen Eingreifen in Syrien spielen will.
Der außenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Philipp Mißfelder, sagte der »Leipziger Volkszeitung«, die Bundeswehr habe »durch ihre derzeitigen internationalen Einsätze bereits die Grenze der Belastbarkeit erreicht«. Vor diesem Hintergrund sehe er keine Möglichkeit für einen deutschen Beitrag.
Einen militärischen Einsatz ohne UN-Mandat aus »humanitären Gründen« hält Mißfelder für »nur schwer vorstellbar«. Der CDU-Politiker wies darauf hin, dass sich, »um das Völkerrecht zu umgehen, auch eine Koalition der Willigen oder die NATO selbst mandatieren könnte«. Die Bereitschaft dazu halte er aber nach den einschlägigen Erfahrungen mit dem Irak und mit Afghanistan »für fast ausgeschlossen«.
Der CDU-Außenpolitikexperte Ruprecht Polenz betonte, als nächstes müsse sich der Sicherheitsrat mit dem Bericht der Waffeninspekteure beschäftigen. »Sollte Assad für einen Giftgasangriff gegen die Zivilbevölkerung verantwortlich sein, wäre das ein Tabu-Bruch«, sagte er. »Dann müsste die Weltgemeinschaft handeln.« Auch Russland und China stünden in der Pflicht, endlich Konsequenzen zu ziehen.
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin hat für »mögliche Konsequenzen« der internationalen Gemeinschaft gegen Syriens Machthaber Assad eine »Legitimation durch die Vereinten Nationen« gefordert. »Die Bilder aus Syrien sind erschütternd. Sollte sich der Eindruck daraus bestätigen, wäre das ein abscheuliches Verbrechen, das die internationale Gemeinschaft nicht tolerieren kann«, sagte Trittin der »Rheinischen Post«. Zugleich warnte er davor, dass ein »militärisches Szenario« einen »noch größeren Flächenbrand« auslösen könne.
Derweil forderte die Linkspartei als Konsequenz aus der Debatte um militärische Einsätze gegen das syrische Regime ein sofortiges Ende des laufenden Bundeswehr-Mandats in der Türkei. An der türkisch-syrischen Grenze sind deutsche Soldaten mit ihren »Patriot«-Flugabwehrraketen auf Wunsch der türkischen Regierung zum Schutz gegen angebliche syrische Übergriffe stationiert. Linkenchef Bernd Riexinger sagte der »Märkischen Allgemeinen Zeitung«, das »defensive Mandat der Patriotraketen ist beendet, seit die Türkei sich faktisch zur Kriegspartei erklärt hat. Ihr Abzug ist zwingend, solange der Bundestag nicht neu entscheidet«. Ebenso wie Großbritannien hatte die Türkei sich auch zu einem militärischen Einsatz gegen Syrien auch ohne UN-Mandat bekannt.
Die Linkspartei werde zudem »gegen einen neuen Krieg im Nahen Osten auf der Straße mobilisieren«, kündigte Riexinger mit Blick auf den laufenden Bundestagswahlkampf an. Die Verantwortlichen für den Giftgasangriff gehörten vor den Internationalen Strafgerichtshof. Wenn die Amerikaner und Briten in Syrien intervenierten, »werden wir eine neue Friedensbewegung erleben«, meinte Riexinger. Deutsche Waffen und Soldaten dürften auf keinen Fall zum Einsatz kommen.
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