Spielplatz zwischen Ratten und Rassisten

Stadt und Polizei versagen im Konflikt um von Roma bewohntes Haus in Duisburg

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 4 Min.
In Duisburg-Rheinhausen brodeln die Aggressionen wegen des überfüllten »Problemhauses«. Der Oberbürgermeister hat Linke als eigentliches Problem ausgemacht und setzt auf Lokalpatriotismus. Am Donnerstag demonstrieren auch noch Ultrarechte gegen die 1400 Roma.

Wenn Donnerstagnachmittag rund ein Dutzend Aktivisten der »Pro«-Bewegung vor dem bundesweit bekannten »Problemhaus« in Duisburg-Rheinhausen auflaufen wird, dann ist gewiss: Die ultrarechten Hassprediger werden von der Polizei wieder bestens beschützt beschützt werden. So wie bislang an jeder Station ihrer bundesweiten Wahlkampftour, die sich gegen alles richtet, was nicht in das Bild der Ressentimentgeprägten passt. Seien es Muslime, Autonome, die Redaktion des »neuen deutschland« oder, wie hier in Duisburg, Armutseinwanderer aus Bulgarien und Rumänien, Roma eben.

Sollten sich Rentner, Messdiener, Grüne, Skater, Linke und Punks in den Weg der Politsekte setzen, so werden diese Blockaden von der Staatsmacht aufgelöst. Es dürfte Anzeigen hageln. Und im nächsten Jahr könnte der Balken, der im Verfassungsschutzbericht die Zahl »linksextremer Straftaten« symbolisiert, wieder um einen Millimeter wachsen.

Nicht ganz so fix und engagiert zeigt sich die Obrigkeit indes, wenn es gilt, die Bewohner des Häuserblocks vor rassistischen Nachbarn, vor Rechtsextremen aller Bräunungsgrade und vor einem Vermieter zu schützen, der das Elend der 1400 dort vegetierenden Osteuropäer scham- und skrupellos ausnutzt.

Wochenlange Nachtwache von Linken

Seit Wochen spitzt sich der Konflikt um die überfüllten Hochhäuser In den Peschen 3 bis 5 zu. Einige haben Angst vor den ungeliebten Nachbarn, andere um die Roma – sie organisierten unter hohem persönlichen Einsatz wochenlang eine Nachtwache, weil sie einen Brandanschlag befürchten. Am Freitag prügelten lokale Rassisten und mutmaßliche Linke aufeinander ein.

Zum Wochenanfang schien es, als habe die Polizei zumindest verstanden, dass sie hier endlich Präsenz zeigen muss. Ein Streifenwagen sollte permanent vor dem Haus stehen, wenigstens nachts. Doch Zeugen berichten, die Uniformierten zögen schon um drei Uhr morgens ab, dann, wenn es wirklich gefährlich werde. Nun organisieren die Roma ihren Schutz selbst.

Zwischenzeitlich machte Oberbürgermeister Sören Link das von Roma bewohnte Haus zur Chefsache. Er lobte die bisherige Arbeit der Polizei (inklusive einer ebenso brutalen wie sinnlosen Erstürmung des Gebäudes) und hob hervor, erst am Freitag, mit den »gewalttätigen Übergriffen«, habe sich die Gefahrensituation »deutlich verändert«. Aus Sicht des Sozialdemokraten ging die alles verändernde Gewalt allein von den pseudo-linken »Krawalltouristen« (Link) aus. Die würden »zum großen Teil nicht aus Duisburg stammen«.

SPD-Politiker nimmt rassistische Anwohner in Schutz

Zugleich nahm der Politiker jene rassistischen Anwohner in Schutz, die am Freitag auf einer Informationsveranstaltung ordentlich vom Leder gezogen hatten und dann, was niemand begrüßt, verletzt wurden. Link sagte, er finde es höchst bedauerlich, »wenn man nicht mehr seine Meinung sagen darf, ohne Angst zu haben, danach belästigt zu werden«. Kurzum, der SPD-Mann mobilisierte den Lokalpatriotismus und gemeindete dabei rassistische Hetzer ein.

OB Link fordert Hilfen von der Europäischen Union, dem Bund und dem Land. Die Herkunftsländer müssten den Roma »Zukunftsperspektiven in ihrer Heimat« bieten, ein »Wiedereinreiseverbot« solle »endlich Realität« werden und außerdem bräuchte es »mehr Stellen für die Sprachförderung«.

Offenbar sollen die Unerwünschten sich zwar in ihrer »Heimat«, jedoch in deutscher Sprache auf ihre zukünftigen Perspektiven freuen. Link will aber auch die eigenen Ärmel hochkrempeln und insbesondere verstärkt gegen »Missbrauchsfälle« bei Gewerbeanmeldungen von Roma vorgehen.

Roma-Kinder zwischen Ratten und Müllcontainern

Auf dem Hof des »Problemhauses« vergnügen sich derweil Dutzende Roma-Kinder zwischen Ratten, überfüllten Müllcontainern und auf den Boden geworfenen Windeln. Herr Oberbürgermeister, warum tolerieren Sie, dass kleine Kinder im Dreck spielen müssen? »Ich toleriere es auf keinen Fall, verstehe aber auch nicht, warum Eltern es zulassen, dass die Kinder dort spielen«, sagt Link gegenüber »nd«.

»Kinder müssten nicht im Müll spielen, wenn er in den Containern oder in verschlossenen Müllsäcken entsorgt wird«, gibt der OB den Schwarzen Peter weiter. Sofort habe die Stadt auf die Vermüllung reagiert, behauptet Link. Die Müllabfuhr komme täglich, das Rattenproblem werde aktiv bekämpft. Auch sei die Gesundheit der zugezogenen Kinder ihm wichtig. So habe man mit der Impfung der Kinder begonnen. Die jedoch spielen weiter Unrat, während ordnungsgemäß gefüllte Müllsäcke aus den Containern ragen.

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