Werbung

Methamphetamin ist am beliebtesten

Dr. Martin Lutterjohann über Drogenabhängigkeit in Kambodscha und die Ansätze der Hilfsorganisationen

  • Lesedauer: 4 Min.
Dr. Martin Lutterjohann ist ein ausgewiesener Drogenexperte. Das Centrum für internationale Migration und Entwicklung (CIM) hatte ihn als Fachberater an die zuständige nationale Behörde nach Phnom Penh entsandt. Mit ihm sprach für »nd« Robert Luchs.

nd: Neben HIV/Aids und nahezu flächendeckender Armut hat Kambodscha mit dem Drogenproblem zu kämpfen. Wie beurteilen Sie die jüngste Entwicklung? Sind eher Erfolge oder Rückschläge zu verzeichnen?
Lutterjohann: Wir haben immer noch keine genauen Schätzungen zur Zahl der Drogenabhängigen in Kambodscha; müssen aber davon ausgehen, dass deren Zahl noch im Steigen begriffen ist. Die offizielle Zahl von rund 6000 Drogenkonsumenten sollte man meiner Erfahrung nach mindestens mit zehn multiplizieren. Dennoch ist deutlich Bewegung in die Drogenarbeit gekommen. Es gibt inzwischen elf staatliche Zentren in sieben der 24 Provinzen, geführt vom Sozialministerium, Stadtverwaltung Phnom Penh, Militär, Militärpolizei und Polizei. Hinzu kommen einige Therapiezentren, die von nichtstaatlichen Organisationen beziehungsweise privat geführt werden.

Welche Drogen werden in Kambodscha genommen?
Die mit Abstand beliebteste Droge ist Methamphetamin, zunächst in Tablettenform, bekannt als Yamá, beziehungsweise Yabá. Beide Namen stammen aus Thailand, von wo aus die Droge ursprünglich ins Land geschmuggelt wurde. Yamá bedeutet dort »Pferdepille« und war schon lange vor der Drogenwelle ab 1996 beliebt unter thailändischen Lastkraftwagenfahrern. Die Thairegierung änderte den Namen um in Yabá, das heißt »Droge, die verrückt macht«.

Seit mehreren Jahren beherrscht kristallines Methamphetamin in Kambodscha den Drogenmarkt, der Name »Ice« wurde ins Khmer übersetzt, und die Droge ist nun bekannt als »Matoeuk-kok«. Yabá wird in der Regel in Wasserpfeifen geraucht. Ice, das traditionell vor allem in Japan, Taiwan und auf den Philippinen konsumiert wird, ist wesentlich reiner, bis über 90 Prozent, während Yabá in Pillenform meist nicht einmal 30 Prozent Methamphetamin enthält: der Hauptbestandteil dort ist Koffein. Ice könnte auch gespritzt werden, wodurch sich bei gemeinsamem Spritzengebrauch die Gefahr von Ansteckung mit HIV drastisch erhöht. Bei gerauchtem Yabá besteht diese Gefahr nur indirekt durch ungeschützten Sex.

Welche Rolle spielt Heroin?
Heroin folgt mit weitem Abstand, wir nehmen an, dass weniger als zehn Prozent der Drogenabhängigen diese Droge konsumieren. Neuerdings wird - wie schon vor vielen Jahren - erneut klebriges schwarzes Opium in Phnom Penh angeboten. Legal erhältliche Kleber und Lösungsmittel sind nach wie vor unter Straßenkindern und Jugendlichen beliebt.

Aus welchen Ländern kommen die Drogen her?
Wie ich erwähnt hatte, stammte Yabá ursprünglich aus Thailand. Herkunftsland war und ist jedoch Myanmar, früher bekannt als Burma. Als Folge des Krieges gegen Drogen unter der Thaksin-Regierung in Thailand im Jahre 2003 änderte sich die Schmuggelroute. Heute kommt nach offizieller internationaler Auffassung Yabá und Heroin entlang des Mekong von Myanmar durch Laos nach Kambodscha. Heroin wird jedoch weitergeschmuggelt, hauptsächlich nach Vietnam und Australien zu den lukrativeren Märkten.

Werden Drogen auch in Kambodscha hergestellt?
Wir sind immer davon ausgegangen, dass Drogen auch in Kambodscha selbst hergestellt werden. Bekannt ist, dass Teile des Militärs darin verwickelt sind, auch Ge-schäftsleute und wohl auch kriminelle Organisationen. Auch in der Provinz Battambang sind Orte bekannt, wo Drogen produziert worden. Die involvierten Militärs genießen jedoch noch Protektion von oben. Das Militär, das sich aus regierungs- und oppositionstreuen Truppenteilen und Resten der ehemaligen Roten Khmer zusammensetzt, hat seit langem die Freiheit, sich das benötigte Budget größtenteils selbst zu beschaffen. Auch illegaler Holzschlag und die Besetzung riesiger Landflächen, die gewinnbringend versilbert werden können, gehören dazu.

Wo setzen Hilfsorganisationen, wie zum Beispiel »Mith Samlanh«, bei der Bekämpfung des Drogenkonsums an?
Die Organisation »Mith Samlanh« (Freunde) kümmert sich in erster Linie um Straßenkinder und Jugendliche. Da viele unter ihnen jedoch Drogen nehmen, hat »Mith Samlanh« ein komplettes System aufgebaut, mit diesem Problem umzugehen. Es gibt einen Bus, der an die Brennpunkte fährt und dort Kontakt zu den Konsumenten vor Ort aufnimmt. Es gibt eine Anlaufstelle für Beratung, Betreuung und Austausch von Spritzen, eine Schlafstelle für Straßenkinder, ein kleines Therapiezentrum für Entgiftung und Kurzzeittherapie. Die größte Leistung wird meiner Meinung nach jedoch durch Schulunterricht und handwerkliche Ausbildung in neun Berufen erbracht.

Das Interesse an Drogenarbeit wächst deutlich. Eine große Zahl von Organisationen, die sich bisher nur um das Aids-Problem kümmerten, hat inzwischen Drogenarbeit mit auf ihre Agenda gesetzt. Auch entstehen immer mehr Therapiezentren. Ich hatte einen von mir organisierten sechswöchigen Trainingskurs in ambulanter und stationärer Therapie abgeschlossen, mit 94 Absolventen aus zwölf Provinzen.

Für rund 200 Heroinabhängige besteht außerdem die Möglichkeit, sich mit Methadon unter Leitung des Gesundheitsministeriums substituieren zu lassen. Allerdings fehlt es noch an geschultem Personal.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.