Turbulente Debatten zwischen Brüderle, Gysi und Trittin
Grüne und Linke werben bei TV-Dreikampf für grundlegenden Politikwechsel / FDP gegen gesetzliche Mindestlöhne
Berlin (Agenturen/nd). Die Spitzenkandidaten der drei kleineren Parteien haben sich im Fernsehen einen teils hitzigen Dreikampf geliefert. In der bisweilen turbulenten, aber politisch durchaus spannenden Debatte im ARD-Fernsehen ging es am Montagabend vor allem um die Themen Mindestlohn, Steuern und Renten, Finanzkrise sowie Energie und Klimaschutz. Dabei warben Grüne und Linke für einen grundlegenden Politikwechsel. Die drei Politiker fielen sich auffällig stärker ins Wort und griffen sich gegenseitig heftiger an als Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Herausforderer Peer Steinbrück beim TV-Duell am Tag zuvor.
»Wir haben den größten Niedriglohnsektor in Europa«, unterstrich Linken-Fraktionschef Gregor Gysi die Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn. Trittin sagte, durch einen Mindestlohn lasse sich auch der Missstand beseitigen, dass Niedriglöhne vom Staat aufgestockt werden müssten, wodurch sich vier Milliarden Euro jährlich einsparen ließen. Dagegen lehnte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle Mindestlöhne als staatliche Eingriffe in die Lohnfindung erneut ab.
Brüderle warf den Oppositionsparteien vor, sie wollten »Steuererhöhungen nicht für Millionäre, sondern für Millionen«. Zugleich drängte er erneut auf einen Abbau des Solidaritätszuschlages. Trittin wies den Vorwurf geplanter Mehrbelastungen zurück. Die von den Grünen vorgeschlagene Erhöhung des Grundfreibetrages werde vielmehr etwa 90 Prozent der Steuerzahler entlasten, dagegen stehe zur Finanzierung »ein höherer Spitzensteuersatz, der trifft fünf bis sieben Prozent«. Auch Gysi pochte auf »mehr Steuergerechtigkeit« durch Entlastungen für den Mittelstand, was durch Mehrbelastungen hoher Einkommen und Erbschaften finanziert werden solle.
Gegensätzliche Positionen gab es auch zur Finanz- und Eurokrise. Brüderle verteidigte die harten Sparauflagen für Euro-Krisenstaaten. Dagegen forderte Trittin mehr Geld für Investitionen zur Ankurbelung der Wirtschaft, statt »in Europa zu sparen, bis es quietscht«. Er äußerte den Verdacht, nach der Bundestagswahl am 22. September werde es für Griechenland deswegen »nicht nur Bürgschaften, sondern tatsächliche Transfers« geben müssen. Gysi schloss sich der Kritik am von der Bundesregierung durchgesetzten Sparkurs an, machte aber auch die Grünen dafür mitverantwortlich.
»Deutschland muss wieder Vorreiter beim Klimaschutz werden«, forderte Trittin ein Umsteuern auch in der Umwelt- und Energiepolitik. Die Rücknahme von Ausnahmen von der Ökostrom-Umlage für die Wirtschaft solle zugleich die Stromverbraucher um durchschnittlich 50 Euro im Jahr entlasten. Gysi warb für einen Sockeltarif beim Strom, durch den 300 Kilowattstunden pro Haushalt und zudem 200 Kilowattstunden pro Person gebührenfrei sein sollten. Brüderle forderte, Subventionen für Solarstrom abzubauen.
Auch wenn es unsicher ist, ob es für Schwarz-Gelb nach dem 22. September reicht und es nach einer Mehrheit für Rot-Grün derzeit nicht aussieht, blieben die drei Politiker in der Koalitionsfrage hart. »Den grünen Wandel gibt›s nur mit starken Grünen und nur in einer rot-grünen Koalition«, wandte sich Trittin gegen Schwarz-Grün. Gysi machte deutlich, dass es wegen von den Linken abgelehnten Militäreinsätzen im Ausland und weiteren Punkten derzeit eher keine Koalition mit SPD und Grünen geben könne. »Gespräche scheitern doch nicht an uns, wenn, dann an SPD und Grünen«, betonte er aber.
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