Nazis sollen nichts gebacken kriegen
Ballstädt wehrt sich gegen neue Nachbarn
Erika Reisser, die ehrenamtliche parteilose Bürgermeisterin, heißt eigentlich jedermann gerne willkommen. Nur bei den Käufern der alten Bäckerei ändert sie ihre Natur und prüft Möglichkeiten, gegen den seit dem 28. August vorliegenden Kaufvertrag vorzugehen. Dabei hat sie die Unterstützung vieler Nachbarn, die Neonazis nicht ihn ihrem Ort dulden wollen.
Der Eigentümer der alten Bäckerei, ein Geschäftsmann aus Arnstadt, hatte das Gebäude zum Kauf angeboten. Auch der Gemeinde, gibt die Bürgermeisterin zu. Doch der verlangte Preise sei weit über dem Wert des Anwesens gewesen. Nun sind Leute aus der Neonaziszene »eingesprungen«.
Einer der beiden Käufer, der am 16. August seinen Namen unter den von einem Notar beglaubigten Vertrag setzte, hat vor zwei Jahren schon ein Objekt im Crawinkel - gleichfalls im Landkreis Gotha - erworben. Da jedoch die dortige Gemeinde die erforderliche Vorkauf-Verzichtserklärung nicht unterschrieben hat, suchten die Neonazis nach einem Ausweichobjekt - sie fanden die alte Bäckerei in Ballstädt.
Die Anwohner sind gewarnt. Sie wissen, dass die Polizei unlängst bei einer Razzia in Crawinkel mehrere Waffen - darunter Sturmgewehre sowie Uzi-Maschinenpistolen und einen Colt - fand. Ermittlungen in der dortigen Szene reichten bis nach Österreich zum inzwischen ausgehobenen »Objekt 21«. Dieser »Freizeit- und Kulturverein« war im März 2010 in Desselbrunn (Oberösterreich) angemeldet worden. Rund 200 Mitglieder umfasste er. Sie waren zum Gutteil eng mit der Organisierten Kriminalität verbunden: Raub, Einbruch, Erpressung, schwere Körperverletzung, Waffen- und Drogenhandel, illegale Prostitution ... Bereits im November 2012 war ein 27-Jähriger aus Gotha, der engste Kontakte zu den Typen vom »Objekt 21« hatte, aufgrund eines Europäischen Haftbefehles festgenommen und nach Österreich überstellt worden.
Seit dem Frühjahr hatte es im Landkreis Gotha immer wieder Hinweise auf einen möglichen Verkauf der Ballstädter Immobilie an die rechte Szene gegeben. Die Bürgermeisterin suchte Hilfe beim Landratsamt und dem Verfassungsschutz. Vergebens.
Vor allem in den bevölkerungsschwachen Gebieten Thüringens und Mecklenburg-Vorpommerns gelangen Neonazis immer wieder unbehelligt an Immobilien. Oft bleiben Gemeinden allein bei der Abwehr solcher ungebetenen Nachbarn, kritisiert seit langem Martina Renner. Die Vizechefin der Linksfraktion im Erfurter Landtag erinnert an den Kauf einer Gaststätte in Marlishausen unweit von Arnstadt. In dem Fall hatten die Behörden die Gemeinde sogar falsch informiert. In Guthmannshausen (Kreis Sömmerda) verkaufte das Land Thüringen ein altes Rittergut an einen Verein, der sogar für den sächsischen Verfassungsschutz eindeutig rechtsextrem ist. Der Neonazi-Aktivist Thorsten Heise siedelt in Fretterode (Eichsfeld) und auch das Jenaer »Braune Haus« ist über die Bundesgrenze hinaus ein bekannter Treffpunkt für Rechtsextremisten.
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