Wahlkampfarena Niedersachsen
Dienstwagenaffäre bekommt U-Ausschuss
Zehn Tage vor der Bundestagswahl nutzten CDU und FDP die von ihnen beantragte außerordentliche Sitzung zur Dienstwagenaffäre weidlich, um gegen die rot-grüne Landesregierung zu giften. Vertuschen und vernebeln wollten SPD und Grüne die Vorgänge um den Vermerk, mit dem der mittlerweile entlassene Staatssekretär Udo Paschedag ein zu großes Dienstauto geordert hatte - so das Konzentrat der CDU-Attacken. Und dieses Verschleiern praktiziere ausgerechnet jene Seite, die sich in der Oppositionsrolle als »Chefaufklärer der Nation« verstanden habe, wann immer etwas »Böses« bei der schwarz-gelben Regierung vermutet wurde. »Mit Schaum vorm Mund« aufgetreten seien dann die Grünen-Parlamentarier und heutigen Minister Stefan Wenzel und Christian Meyer, schimpfte der CDU-Abgeordnete Ulf Thiele.
Seine Partei aber war es, die gestern nicht mit jenem Schaum sparte. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) habe die Unwahrheit gesagt mit der Behauptung, er sei in die Bestellung des Audi A8 nicht involviert gewesen, polterte CDU-Fraktionsvorsitzender Björn Thümler - und in dieser Affäre könne auch ein »bekennender Esoteriker« als neuer Staatssekretär nicht helfen. Thümler spielte auf Paschedag-Nachfolger Horst Schörshusen an, der als Gegner der Lehre Darwins von der Evolution des Menschen gilt und ein Buch geschrieben hat mit dem Titel »Wellen-Ich und Punkt-Ich - Eine neue Philosophie des Ganzen«.
Immer wieder musste Landtagspräsident Bernd Busemann (CDU) zur Ruhe rufen, vor allem dann, wenn schwarz-gelbe Parlamentarier durch ihr Gebölke die Reden politischer Kontrahenten störten. Zu denen, welche die sattsam bekannten Vorwürfe gegen Weil in punkto Dienstauto erneut ins Feld führten, zählte CDU-Mann Jens Nacke. Er ignorierte das Redezeitlimit, und der sonst so moderate Präsident musste seinen Parteifreund mehrmals im ärgerlichen Tonfall eines strengen Lehrers auffordern, das Pult zu verlassen. Erbost zog der Gescholtene davon, knallte Papiere auf seinen Tisch.
Rot-Grün blieb verhältnismäßig gelassen. In Rage brachten SPD und Grüne die Opposition allerdings, als sie an Affären in deren Reihen gemahnte: Vor allem an Geschehnisse um den ehemaligen Bundespräsidenten und früheren Ministerpräsidenten Christian Wulff, die auch die Staatsanwaltschaft beschäftigen.
Schweigsam blieben gestern sowohl Stephan Weil als auch Agrarminister Christian Meyer. Ihn forderte die Opposition erneut zum Rücktritt auf, weil er von dem Dienstwagevermerk gewusst und dies 14 Tage lang nicht offenbart hatte.
SPD-Fraktionschefin Johanne Modder bewertete die Sitzung als »Spätsommertheater, mit dem sich CDU und FDP vor der Wahl noch mal richtig in Wallung bringen wollten«. So mancher Beobachter der 45 Minuten mag dies zumindest ähnlich empfunden haben.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.