Üben für den Ernstfall in Sotschi
Putin rügt den Zustand der Olympiabaustellen, die Opposition beklagt vor allem die Korruption
Am Montag trainierten Geheimdienstler, Sondereinheiten der Polizei, Katastrophenschützer und andere paramilitärische Einheiten in den Bergen des nordwestlichen Kaukasus und in der Ebene am Schwarzen Meer etwa 20 mögliche Ausnahmesituationen während der Olympischen Winterspiele in Sotschi. Simuliert wurden Abläufe am 10. Februar 2014 - ein Wettkampftag mit besonders vollem Programm. Mit der Effizienz des Dargebotenen waren sogar Jean Claudes Killy, Chef des IOC-Koordinierungsausschusses, und der russische Cheforganisator, Vizepremier Dmitri Kosak, zufrieden.
Staatspräsident Waldimir Putin hingegen fand nur bei der Eröffnung der Olympischen Universität freundliche Worte. Sie soll in Master-Studiengängen und Kurzzeitkursen eine neue Generation von Sportmanagern für Olympia und andere sportliche Höhepunkte ausbilden. Scharfe Kritik des Kremlchefs setzte es dagegen nach dem Rundgang über die olympischen Baustellen. Die Spiele würden pünktlich am 7. Februar eröffnet, es gebe keine zeitlichen Reserven. Alle Beteiligten müssten daher »deutlich mehr Verantwortungsbewusstsein« entwickeln.
Allein mit Berichten von Kosak, der fortan alle vierzehn Tage bei Putin vorsprechen muss, will sich dieser nicht zufriedengeben. Er drohte vielmehr, sich künftig höchstselbst ein Bild vom Baufortschritt machen zu wollen. Unangemeldet und unerwartet
Erhebliche Terminrückstände
Grund zur Kritik besteht in der Tat. Zwar sind fast alle Wettkampfstätten fertig. Ausgerechnet beim Olympiastadion mit 40 000 Plätzen, wo Eröffnungs- und Abschlussfeier stattfinden, klemmt es jedoch massiv. Erhebliche Terminrückstände gibt es auch bei Objekten der Infrastruktur. Das Stadtbild ist vom computersimulierten Idealzustand noch weit entfernt. Besonders ergrimmt, so das Moskauer Wirtschaftsblatt »RBK daily«, sei Putin über den miesen Service und die Abfertigung auf dem Airport Sotschi-Adler gewesen. Für das Desaster seien vor allem private Auftragnehmer verantwortlich.
Diesen will Putin daher von staatlichen Kontrolleuren künftig mehr auf die Finger sehen lassen. Auch um die Kosten in den Griff zu bekommen. Zwölf Milliarden US-Dollar maximal würden die Spiele kosten, hieß es bei der Vergabe 2006. Im Mai jonglierten Staat und Privatwirtschaft bereits mit 50 Milliarden Dollar. Regimekritiker wie der Liberale Boris Nemzow machen neben Ineffizienz vor allem Korruption für die Kostenexplosion verantwortlich.
Für weiteren Ärger sorgt ein Putin-Ukas, der die Bewegungsfreiheit für Einwohner und Gäste während der Spiele einschränkt und Kundgebungen oder Demonstrationen, die nicht direkt mit Olympia zu tun haben, untersagt. Auf Zuwiderhandlung stehen saftige Strafen. Getroffen fühlt sich erneut die Schwulenszene, die daher bereits für den Boykott der Spiele trommelt.
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