Deutsche Lieferungen für Assads Giftgas-Brauereien?
Geplante zivile Verwendung von über hundert Tonnen Chemikalien wurde laut Bundeswirtschaftsministerium »plausibel dargestellt«
Der Tod ist ein Meister aus Deutschland, heißt es in einer Zeile des deutschsprachigen rumänischen Lyrikers Paul Celan (1920 -1970). Seine jüdischen Eltern wurden von den Nazis ermordet, er als Arbeitssklave missbraucht. Bisweilen sieht man diesen Gedanken auf Plakaten bei Friedensdemonstrationen.
Gestern bestätigte die Bundesregierung abermals, wie richtig und wichtig die Mahnung ist, die zugleich eine Warnung sein sollte. In der Antwort auf eine Anfrage des Linksabgeordneten Jan van Aken wird bestätigt, dass sowohl die von SPD und Grünen gestellte Regierung in den Jahren 2002 und 2003 sowie die Große Koalition 2005 und 2006 Ausfuhrgenehmigungen für Chemikalien erteilt haben, aus denen der Kampfstoff Sarin hergestellt werden kann. Dieses Giftgas wurde bereits mehrmals im syrischen Bürgerkrieg eingesetzt; am 21. August haben bislang noch nicht eindeutig identifizierbare Verbrecher bei Damaskus damit bis zu 1400 Menschen umgebracht.
Van Aken, der einiges gewöhnt ist in Sachen bundesdeutscher Rüstungsexporte - Leopard-Panzer, Heckler+Koch-Sturmgewehre -, war »vom Donner gerührt«, als er die Antwort der Regierung in Händen hielt. »Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich las, dass Deutschland über hundert Tonnen Chemikalien an Syrien geliefert hat, mit deren Hilfe man Sarin produzieren kann«, sagte der Abgeordnete im nd-Gespräch. Die Genehmigung sei, so das Wirtschaftsministerium »nach sorgfältiger Prüfung aller eventuellen Risiken, einschließlich von Missbrauch- und Umleitungsgefahren, im Hinblick auf mögliche Verwendungen im Zusammenhang mit Chemiewaffen« erteilt worden. Es geht insbesondere um den Export von Fluorwasserstoff (Wert: 141 563 Euro) und Ammoniumhydrogendifluorid (Wert: 18 549 Euro). Derartige Geschäfte mit sogenannten Dual-use-Gütern, die sowohl zivil wie militärisch verwendet werden können, bergen immer Risiken. Doch gerade im Falle Syriens, von dem man wusste, dass es ein C-Waffen-Programm betreibt und sich der internationalen Kontrolle entzieht, ist die Handlungsweise kritikwürdig. »Nach der Logik der Regierung kann man morgen schon heimlich Uran nach Nordkorea verkaufen, um sich dann öffentlich über den Atombombenbau von Kim Jong Un zu ereifern«, sagt van Aken.
Deutschland ist bereits mehrmals als Beihelfer zur C-Waffenproduktion aufgefallen. So war man dem irakischen Diktator Saddam Hussein gefällig. Die Imhausen-Chemie und Siemens planten und lieferten für die libysche C-Waffen-Fabrik in Rabita, wo die Gifte Lost, Soman und Sarin gebraut werden sollten. Eines der wesentlichen Ziele des Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes ist die Verhinderung sogenannter Proliferation. Man darf gespannt sein, wie die Dienste ihr Versagen im aktuellen Fall erklären.
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