Merkel macht den Unterschied
Demoskopen diskutierten über den Ausgang der Bundestagswahlen
Die Demoskopie wird häufig mit dem Klischee der Glaskugel assoziiert. Auf der Wahlanalyseveranstaltung des Presse- und Informationsdienstes der Bundesregierung mit führenden Vertretern der hiesigen Meinungsforschungsinstitute am Montag durfte auch dieses nicht fehlen. Auf die Frage, ob nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag mit einem Comeback der Liberalen zu rechnen sei, machte Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen eine entsprechende pantomimische Geste. Ansonsten zeigten sich die beteiligten Meinungsforscher unterm Strich wenig erstaunt ob der Resultate der Bundestagswahl. »Rein arithmetisch« überrascht der Wahlausgang nicht, so Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen. Und Peter Matuschek von Forsa pflichtete bei: Die Grundkonstellation sei schon Anfang des Jahres zu erkennen gewesen.
Das Ausscheiden der FDP war auf der von Regierungssprecher Steffen Seibert moderierten Veranstaltung eines der dominanten Themen. Obwohl die meisten Umfrageinstitute den Liberalen den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde prognostiziert hatten, sei bei Umfrageresultaten immer mit leichten Abweichungen nach oben oder unten zu rechnen. Interessanter indes die Ursachenanalyse: Von »einer schlechten Performance« in der Regierung sowie »Entprofilierung« und »Entkernung« war die Rede.
Die Einschätzung der Aufsteherqualitäten der FDP fiel vage aus. Renate Köcher vom Institut für Demoskopie Allensbach sprach den Freidemokraten durchaus die Möglichkeit eines Comebacks zu. Die Realisierung hänge aber von der zukünftigen inhaltlichen Positionierung sowie vom Personal ab. Richard Hilmer von Infratest-dimap war skeptischer: »Die FDP hat immer noch nicht verstanden, dass die CDU ihr wichtigster Mitbewerber ist.«
Die großen Zugewinne der CDU wurden am personellen Faktor festgemacht. So sagte Hilmer, der Wahlerfolg für die CDU sei auf die Person Merkel zurückzuführen.
Die in den vergangenen Jahren diskutierte Frage nach dem Niedergang der Volksparteien wurde kontrovers diskutiert. Köcher stellte diesen in Abrede. Vielmehr sei von Stärke- und Schwächephasen zu sprechen. Das Wählerpotenzial für SPD und Unionsparteien liege immerhin bei über 35 bzw. 46 Prozent. Matuschek sprach mit Blick auf den Abstand von CDU und SPD von einer Zäsur, die Erinnerungen an die 1950er Jahre mit Konrad Adenauer wecke. Und Matthias Jung wies auf das bescheidene Wahlergebnis der SPD hin, betonte aber, dass die Sozialdemokraten mit einem falschen Kanzlerkandidaten ihr Potenzial nicht ausgeschöpft haben. Steinbrück sei zwischen den Stühlen soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftskompetenz zerrieben worden. Das Setzen auf nur eines dieser Kernthemen hätte der SPD ein besseres Ergebnis beschert.
Rechtspopulistisch oder extrem heterogen mit Anhängern gar im linken Lager und in der Arbeiterschaft - so weit klafften die Meinungen zur Alternative für Deutschland (AfD) auseinander. Eine Rolle spielte hier der sogenannte Verschwiegenheitsfaktor. Gemeint ist damit, ob die wöchentlich Befragten aufgrund der Selbstverortung im rechten Lager ihre Sympathie für die AfD verschweigen - und daher die Umfrageergebnisse zu niedrig seien. Matuschek und Forsa legten diese Annahme zugrunde, weil sie die Parteineugründung klar im rechten Spektrum verorteten. »Die AfD weist ein ähnliches Profil wie die Republikaner in den 1980er und 1990er Jahren auf.« Da das AfD-Wahlergebnis nicht merklich von den Umfragen abwich, müsse nun, so der Forsa-Wissenschaftler, die Verschwiegenheitshypothese in Frage gestellt werden. Erst gar nicht von dieser ausgegangen waren Köcher und Jung. Während erstere der neuen Partei eine Legitimierung in der Bevölkerung zusprach, wies letzterer auf die ex-trem heterogene Zusammensetzung hin. Die nationalliberale und eurokritische Mitgliederschaft sei von den Wählern aus dem Protestmilieu zu unterscheiden. Hilmers Ausführungen gingen in eine ähnliche Richtung: Er wies darauf hin, dass die Wählerschaft nicht eindeutig dem rechten Milieu zuzuordnen sei, sondern die meisten Anhänger sich aus der Arbeiterschaft rekrutierten.
Interessant war des Weiteren der Hinweis von Matthias Jung, wonach der Union pro Legislaturperiode eine Million Anhänger durch Tod verlustig gehen. Dieses Mal haben sie diesen Verlust durch Erfolge bei jüngeren Wählergruppen überkompensieren können. Ob das in einer älter werdenden Gesellschaft zukünftig auch gelinge, ließ er offen. Mit Blick auf die Glaskugel tat er gut daran.
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