Prekär in der Disco

Beschäftigte im Gastgewerbe häufig überarbeitet und unterbezahlt

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Gaststätten und Hotels boomen, allerdings häufig auf dem Rücken der Angestellten. Das zeigt eine Studie.

Das Gastgewerbe hat in den vergangenen Jahren einen deutlichen Aufschwung zu verzeichnen. 2012 waren 1,966 Millionen Menschen in der Gaststätten-, Beherbergung- und Cateringbranche beschäftigt - rund 70 000 mehr als 2010. Allerdings häufig unter unzumutbaren Bedingungen. Das geht aus einer im Auftrag der DGB-nahen Hans-Böckler-Stiftung von der Consultinggesellschaft wmp erstellten Studie hervor, die am Dienstag in Berlin von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vorgestellt wurde. So stehen den 901 000 sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen in der Branche 878 000 geringfügig Beschäftigte gegenüber. Elf Prozent sind als Selbstständige regis-triert.

Studienleiter Klaus Maack wies ferner darauf hin, dass legale Formen geringfügiger Beschäftigung, wie z.B. die 450-Euro-Jobs, keineswegs taugten, die in der Branche weit verbreitete Schwarzarbeit zurückzudrängen. Vielmehr sei eine Grauzone entstanden, da niemand die tatsächliche Arbeitszeit und eventuelle Zusatzvergütungen kontrollieren könne.

Besonders hoch ist der Anteil geringfügig Beschäftigter in Bars und Diskotheken mit 72 bzw. 88 Prozent, relativ niedrig dagegen im Beherbergungsgewerbe mit 33,6 Prozent. Zwar könne man davon ausgehen, dass viele dieser Beschäftigungsverhältnisse von den Betroffenen so gewollt seien, da es sich um Zuverdienste handele, so Maack. Doch die aktuellen Zahlen machten auch deutlich, dass in vielen Sparten reguläre Vollzeitarbeitsverhältnisse durch Teilzeit- und prekäre Jobs ersetzt würden.

Ähnlich dramatisch ist die Situation bei der Vergütung: In der Gastronomie erhalten 77,3 Prozent aller Beschäftigten Stundenlöhne, die unter der von der OECD-Definition (weniger als 70 Prozent des Durchschnittslohns der mittleren Einkommensbezieher) abgeleiteten Niedriglohnschwelle von 9,15 Euro liegen. In der Hotellerie sind es 62,3 Prozent. Fast 160 000 Beschäftigte des Gastgewerbes müssen ihre Einkünfte durch Transferleistungen aufstocken, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Dies hat nach Einschätzung der NGG vor allem damit zu tun, dass rund zwei Drittel aller Beschäftigten des Gastgewerbes in Betrieben ohne Tarifbindung arbeiten, Auch deswegen sei ein gesetzlicher Mindestlohn von zunächst 8,50 Euro »zwingend erforderlich«, so die stellvertretende NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger. Auch die Arbeitsbedingungen seien oftmals inakzeptabel. 63 Prozent aller Beschäftigten der Branche müssten regelmäßig Überstunden machen, von denen bis zu 50 Prozent weder durch Freizeit noch durch Bezahlung ausgeglichen würden.

Entsprechend groß ist der Fachkräftemangel. Angesichts der derzeit relativ entspannten Lage auf dem Ausbildungsmarkt seien immer weniger Schulabgänger bereit, einen Beruf im Gastgewerbe zu erlernen, so Maack. Zehntausende von Lehrstellen blieben daher unbesetzt.

In der Branche wird es laut der Studie weitere Umbrüche geben. Während kleine inhabergeführte Beherbergungsbetriebe und traditionelle »Eckkneipen« zunehmend vom Markt verschwänden, verstärke sich der Trend zu großen Hotelketten und zur Systemgastronomie, so Maack. Auch der Catering-Sektor habe enorm an Bedeutung gewonnen, da immer mehr Betriebe und öffentliche Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäuser den Verpflegungsbereich outsourcen. Doch gerade in diesem Sektor tobt ein gnadenloser Preiskampf. Nur Dumpinglöhne ermöglichen eine erfolgversprechende Teilnahme an Ausschreibungen. Die NGG fordert daher auch vereinfachte Regeln für die Festlegung allgemeinverbindlicher Tarifverträge sowie eine Abschaffung der Minijobs in der bisherigen Form.

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