Neuer Schuldenschnitt?

Sven Giegold ist für die Grünen finanzpolitischer Sprecher im Europaparlament

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) meint, dass die neue Bundesregierung die alte Euro-Politik beibehalten wird. Was bedeutet das für Europa?
Giegold: Für Europa sind das schlechte Nachrichten, weil die deutschen Wahlen in den letzten Monaten schon die Arbeit an vielen Baustellen aufgehalten hat. Denken Sie nur an die Bankenstrukturreform oder die notwendigen Maßnahmen zur Reform der Eurozone. Da gab es einen groß aufgehängten EU-Fahrplan, von dem praktisch nichts mehr übrig ist.

Kann es wegen des Wahlerfolges der AfD zu einer Verschärfung des europapolitischen Kurses durch die wahrscheinlich wiedergewählte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) kommen?
Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wo die Bundesregierung noch ihre Linie verschärfen könnte. Denn die Unternehmen und Staaten in den Krisenstaaten müssen viel höhere Zinsen zahlen als etwa Deutschland. Und in diesen Ländern ist Arbeitslosigkeit ein massives Problem. Europa ist gespalten und wird das nicht mehr lange aushalten.

Der Atomausstieg nach der Katastrophe in Fukushima oder andere Beispiele zeigen, dass Kanzlerin Merkel immer wieder zu radikalen Kehrtwenden fähig ist. Wäre das nicht auch bei einem möglichen zweiten Schuldenschnitt für Griechenland denkbar?
Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat bei der Eurokrise immer dann eine Kehrtwende gemacht, wenn es nicht anders ging. Und sie hat sich regelmäßig gegen alle weiteren Maßnahmen gestellt, die uns auf einen glaubwürdigen europäischen Weg aus der Krise gebracht hätten. Ohne eine echte gemeinsame europäische Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt es keinen Weg aus der Krise.

Wäre eine solche Maßnahme nicht ein zweiter Schuldenschnitt?
Ich bin kein großer Freund eines weiteren Schuldenschnitts. Denn wenn man weitere Schulden erlässt, dann muss gleichzeitig die Frage erlaubt sein, was mit den Privatvermögen in Ländern wie Griechenland geschieht. Erst wenn auch diese effektiv beteiligt werden, kann man über weitere Schuldenschnitte sprechen. Das hat die Bundesregierung aber immer gescheut wie der Teufel das Weihwasser. Schließlich wäre dann auch in Deutschland die Frage nach der Beteiligung der Privatvermögen nicht mehr abzuwehren.

Was wären dann die Maßnahmen, die Europa braucht, die Merkel aber bis dato verhindert hat?
Wir wollen den Euro in Europa mit einer gemeinsamen und demokratisch kontrollierten Finanz- und Wirtschaftspolitik. Das bedeutet vor allem eine gemeinsame Steuerpolitik, die allen Ländern Luft bei den Einnahmen verschafft - etwa durch Mindeststeuersätze oder eine effektive Bekämpfung der Steuerhinterziehung. Auch ein streng konditionierter Schuldentilgungsfonds und sozial-ökologische Investitionsprogramme sind notwendig, damit die Wirtschaft in den Krisenstaaten schneller wieder auf die Beine kommt.

Warum?
Wenn wir diese Probleme einfach dem Markt überlassen würden, bedeutete dies, dass wir für sehr lange Zeit sehr hohe Arbeitslosigkeit und Armut in weiten Teilen Europas hinnehmen müssten. Und das wird die EU nicht aushalten.

Fragen: Simon Poelchau

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