Wenn Stimmen auf dem Postweg verloren gehen

Briefwahl bleibt mit Risiken verbunden

  • Marcus Meier und Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Briefwahl ist beliebt. Weit mehr als 13 Millionen Wahlberechtigte machten von ihr Gebrauch. Für viele Kommunen bedeutete das zusätzlichen Aufwand. Zudem gab es immer wieder Probleme mit der pünktlichen Zustellung. Das ist ärgerlich: Schließlich werden zu spät eingehende Wahlzettel nicht gezählt.

Die Briefwahl erfreut sich großer Beliebtheit. Erst recht, seitdem die Wahlberechtigten bei der Beantragung der entsprechenden Unterlagen nicht mehr begründen müssen, weshalb sie es nicht ins Wahllokal schaffen. Doch der Siegeszug der portofreien Stimmabgabe wird langsam zum Problem. Insbesondere große Kommunen hatten in den vergangenen Tagen Probleme, die Masse an Briefen zu bewältigen.

Kein Wunder, schließlich stimmten mehr als 20 Prozent der Wahlberechtigten auf postalischem Wege ab. Nicht immer kamen die Briefe in den knallroten Umschlägen auch rechtzeitig beim Kreiswahlleiter an. »Das ist in einigen Fällen passiert und nichts Ungewöhnliches bei 62 Millionen Wählern«, meinte der Pressesprecher von Bundeswahlleiter Roderich Egeler am Dienstag gegenüber »nd«. Jeder Bürger trage hier ein »Restrisiko, dass die Unterlagen verschwinden«, so der Sprecher weiter. Die Bundesregierung sieht er hier nicht in der Verantwortung. Schließlich habe das Bundesinnenministerium mit der Post einen Vertrag abgeschlossen, der garantieren sollte, dass die Unterlagen pünktlich eintreffen.

Offenbar konnte die Post das nicht in jedem Fall garantieren. Genaue Zahlen kennt auch der Bundeswahlleiter nicht. Aber erste Meldungen aus den Wahlkreisen lassen vermuten, dass Tausende Briefe verloren gingen oder zu spät eintrafen. In einigen Fällen erhielten die Briefwähler keine Unterlagen und konnten nicht wählen. Zudem patzten auch einige Kommunen. So konnten in Bochum rund 600 Briefwahl-Erststimmen nicht gezählt werden, weil die Wahlkreise vertauscht worden waren. Wie konnte das passieren? Etwa 1700 Wähler in der Stadt, die über einen eigenen Wahlkreis verfügt und sich einen zweiten mit der Nachbarstadt Herne teilt, hatten falsche Briefwahlunterlagen bekommen - für den jeweils anderen Wahlkreis. Irgendwer muss in die falsche Kiste gegriffen haben, sagte ein Stadtsprecher später. Zwar bot man den Betroffenen an, noch einmal zu wählen. Aber 600 Betroffene konnten oder wollten nicht mehr.

Keinesfalls die einzige Panne in der Ruhrpottmetropole. Im Bochumer Stadtteil Langendreer wurden Wahlbezirke so unorthodox zugeordnet, dass mancher bis zu anderthalb Kilometer laufen musste, selbst wenn sich im eigenen oder im Nachbarhaus ein Wahllokal befand. Die von der Lokalpresse als »scheinbare Wahllokal-Lotterie« verspottete Zuteilung wurde seitens der Stadt mit einer »Verkettung unglücklicher Umstände« erklärt. Ebenfalls in Bochum-Langendreer übermittelte ein Wahllokal zunächst 71 Prozent ungültige Zweitstimmen, während die Erststimmen gezählt wurden. Diesmal waren jedoch nicht die Briefwähler schuld. Vielmehr hatte ein Disput im Wahlvorstand dazu geführt, dass fast drei Viertel der Stimmen nicht berücksichtigt wurden. Nach erneuter Zählung waren es dann »nur« noch 13 Prozent ungültige Voten.

Der Fall Bochum zeigt, dass »Unfälle« mit Briefunterlagen nicht auf Einzelfälle beschränkt sein müssen. Bei den bayerischen Landtagswahlen am vergangenen Wochenende kamen 5000 ausgefüllte Stimmzettel zu spät in die Wahlämter, wie »Focus Online« berichtete. Diese Stimmen seien verloren, so der Sprecher des Bundeswahlleiters: »Laut Wahlordnung gelten die Absender als Nichtwähler.«

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