Sturmhauben auf dem Laufsteg

Protestaktion für Hamburgs Rote Flora

  • Gaston Kirsche, Hamburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Das hatte man im feinen Hamburg-Pöseldorf noch nicht gesehen: Linke Aktivisten protestierten mit einer Modenschau gegen Pläne zur Schließung des Kulturzentrums Rote Flora. Entgegen der Stimmungsmache in bürgerlichen Medien blieb es ruhig.

In Hamburg-Pöseldorf sind an normalen Tagen Damen und Herren im karierten Sakko und mit echten Golduhren auf der Straße unterwegs, Frauen auch in Kostümen oder teuren Kleidern. Am Dienstagabend war Pöseldorf jedoch im Ausnahmezustand: Die Kampagne »Flora bleibt unverträglich« hatte zu einer »Autonomen Modenschau« aufgerufen. Hintergrund der Aktion sind seit Wochen kursierende Gerüchte über einen geplanten Verkauf des autonomen Hamburger Kulturzentrums Rote Flora, dessen Grundstück ein Filetstück für Immobilienhändler sein könnte, wenn dort nicht die Rote Flora stehen würde.

Unmut in Pöseldorf

Auf dem Plakat für die Modenschau tänzelt vor einer edlen, von pyrotechnischen Explosionen illuminierten Hauszeile ein Autonomer mit schwarzem Hemd, Stiefeln und Gasmaske, im weißen Röckchen auf der Straße. Die lokalen Boulevardmedien erregten sich über den Aufruf: »Rote Flora droht: Wir stürmen Pöseldorf« titelte die Hamburger Morgenpost und Bild Hamburg: »300 Chaoten wollen Milchstraße stürmen. Wasserwerfer sollen Pöseldorf schützen!«.

Der Anlass waren Formulierungen im nicht ohne Selbstironie formulierten Aufruf wie: »Die Menschen haben dort häufig kaum Erfahrung und große Scheu, wenn trendige Sturmhauben, schwarze Helme oder andere innovative Accessoires im Straßenbild auftauchen. Dabei gehören Barrikaden, Scherbendemos oder zerstörte Luxuslimousinen im Fall einer Räumung der Roten Flora bald möglicherweise zum Alltag in genau diesen Stadtteilen.«

Ladenbesitzer äußerten Unmut über die Autonome Modenschau. Thomas Stiebritz, Inhaber des Pöseldorfer Vodafone-Shops, stellte gleich das Versammlungsrecht in Frage: »Ob Krawalle oder nicht, ich bin sowieso gegen Demos. Das ist doch nur störend und belästigend für alle anderen.« Entsprechend schlossen zahlreiche Geschäfte am Dienstagabend früher, einige Inhaber vernagelten vorsorglich ihre Schaufenster mit Spanplatten wegen der befürchteten Ausschreitungen. Deutsche Bank und die Einkaufspassage »Pöseldorf Center« meinten obendrein, ihre Kundschaft warnen zu müssen. Ein nahe gelegener Hockey-Club sagte das Kinder- und Jugendtraining ab, zahlreiche Polizisten patrouillierten vor Läden und Villen.

Tatsächlich blieb es ausgesprochen friedlich, an der Kundgebung mit »autonomer Modenschau« nahmen über 400 Menschen teil. Die in einem durchaus professionellen Rahmen gezeigten »Modestrecken« thematisierten Protestkulturen vom Punk bis Pussy Riot. Begleitet von Musik und einer Lichtshow waren auf einem eigens aufgebauten Laufsteg autonome Straßenkämpfer im Outfit der 1980er Jahre zu sehen: mit Motorradhelm, Palästinensertuch, weiten Hosen für Wasserflaschen zum Ausspülen von Tränengas - und für den handlichen Bolzenschneider, wie erläutert wurde.

Gelungene Parodie

Auch Castor- und Bauwagenaktivisten zeigten ihre Styles. Letztere hatten sich in einen kleinen Kinderbauwagen gesetzt. Nach zwei Stunden endete die Kundgebung, ohne das die in den Nebenstraßen zahlreich postierte Polizei einen Anlass zum Eingreifen gesehen hatte. Die Polizei hatte es nur zur Auflage gemacht, dass die Accessoires des Straßenkampfes auf dem Laufsteg und im Lautsprecherwagen verbleiben und sich sich nur auf dem Laufsteg vermummt wird.

Eine rundum gelungene Parodie im feinen Hamburg-Pöseldorf also. Und trotzdem ein Wink mit dem Pflasterstein, was im Falle einer Räumung der Roten Flora an Protesten auf Hamburg zukommen würde.

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