Rot-Schwarz spielt ein bisschen Stadtwerk
Koalition einigt sich auf Eckpunkte für Energieunternehmen / Opposition kritisiert Plan als symbolischen Akt
»Klares Ergebnis des Koalitionsausschusses: Das Berliner Stadtwerk kommt am 24. Oktober 2013. SPD Berlin steht zur Rekommunalisierung«, schrieb der sozialdemokratische Landeschef Jan Stöß gestern über den Kurznachrichtendienst Twitter. Zuvor hatten sich die Spitzen von Rot-Schwarz während einer laufenden Debatte im Abgeordnetenhaus zurückgezogen und in kleiner Runde nach einer Lösung im Koalitionsstreit um das seit Dezember geplante Berliner Stadtwerk gesucht. Allein dieses Vorgehen parallel zur Plenarsitzung sorgte bei der Opposition für Kopfschütteln.
Der gestern vom Koalitionsausschuss erzielte Kompromiss in Form eines Vier-Punkte-Plans, der »nd« vorliegt, sorgt indes für noch heftigere Kritik. Laut dem Papier soll das Stadtwerk ausschließlich erneuerbare Energie produzieren dürfen und den eigens produzierten Strom auf dem Berliner Markt vertreiben. Als Quelle für das neue Öko-Stadtwerk seien sowohl Atom- als auch Kohlekraftwerke ausgeschlossen. Wie das Stadtwerk mit der zur Verfügung gestellten Anschubfinanzierung von jeweils 1,5 Millionen Euro für zwei Jahre seine eigenen Kapazitäten ausbauen soll, ist fraglich. Grünen Energieexperte Michael Schäfer bezeichnete den Kompromiss als »symbolischen Akt«, bei dem sich »die CDU voll durchgesetzt« habe.
Zudem verwies Schäfer darauf, dass die SPD im Umweltausschuss zunächst indirekt noch von deutlich mehr Geld für das geplante Stadtwerk gesprochen hatte, dessen Haushalt sich am Budget des vor einer Woche mittels Volksentscheid beschlossenen Hamburger Stadtwerkes orientieren sollte. Die Hanseaten statten ihr kommunales Unternehmen mit acht Millionen Euro aus. Schäfer betonte, vergleichbare kommunale Energieunternehmen hätten deutlich mehr finanzielle Mittel zur Verfügung als es für Berlin geplant sei. Laut dem Vier-Punkte-Papier darf das Stadtwerk zudem für eine Übergangszeit zusätzliche Energie aus dezentralen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen produzieren, die »zu einem größtmöglichen Anteil« aus erneuerbaren Energieträgern gewonnen werden müssen. Der Plan gibt jedoch weder Auskunft darüber, wie lang dieser Übergangszeitraum sein soll, noch wie hoch der Anteil an erneuerbaren Energieträgern konkret liegen muss.
Unklarheit herrscht weiterhin über die Frage, ob das Stadtwerk als eigenständiges Unternehmen auftreten wird oder seine Arbeit als Tochter der Berliner Wasserbetriebe aufnimmt. Immerhin scheint inzwischen sicher, dass das Stadtwerk weder unter dem Dach der Berliner Stadtreinigungsbetriebe noch der Energieagentur firmieren soll. Beide Optionen waren zunächst im Vorfeld diskutiert worden, tauchen im ausgehandelten Plan jetzt allerdings nicht mehr auf.
LINKEN-Energieexperte Harald Wolf kritisierte den Kompromiss, da dieser die »Möglichkeiten des geplanten kommunalen Kraftwerks zu sehr einschränkt«. So sei es falsch, dem Unternehmen zu verbieten, an der Strombörse Energie aus regenerativen Quellen zu erwerben, da die geplanten eigenen Kapazitäten mit Sicherheiten nicht ausreichten, um sich einen relevanten Kundenstamm aufzubauen. Nach einem von Umweltsenator Michael Müller (SPD) Anfang September vorgestellten Plan soll das Stadtwerk mit zunächst fünf Windrädern an den Start gehen. Viel zu wenig, kritisierte schon damals die Opposition. Das Verbot des Stromeinkaufs an der Börse dürfte dieses Problem wohl eher noch verschlimmern. Dennoch dürfen bei zukünftigen Kunden irgendwann nicht einfach die Lichter ausgehen. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, müsste das Stadtwerk bei Engpässen Strom hinzukaufen, der dann allerdings nicht zwangsläufig aus erneuerbaren Quellen stammen müsste.
Laut dem gefassten Kompromiss soll das notwendige Gesetz zur Gründung des Stadtwerks in der nächsten Abgeordnetenhaussitzung am 24. Oktober verabschiedet werden. Nur wenige Tage später findet der vom Energietisch durchgesetzte Volksentscheid statt. Die Initiative sieht den Erfolg der geplanten Abstimmung durch den vom rot-schwarzen Senat gefassten Kompromiss allerdings nicht gefährdet. »Der Volksentscheid ist nach dem gestrigen Ergebnis wichtiger denn je. Keiner glaubt dieser Koalition im Rückwärtsgang, dass sie eine echte Energieversorgung in Berliner Hände will«, erklärte der Sprecher des Energietisches, Stefan Taschner. Unterstützung für den Volksentscheid am 3. November erhält der Energietisch weiter von LINKEN und Grünen. Dies sei die »einzige Möglichkeit« zu zeigen, dass die Berliner ein richtiges Stadtwerk und keines im »Micky-Maus-Format« wollen, erklärte Harald Wolf.
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