Ein Atompilz für den Militärausschuss
Wichtige Werke von HAP Grieshaber werden derzeit in der KZ-Gedenkstätte Osthofen gezeigt
Das Thema des Widerstehens und des Sich-Behauptens gegen die Hoffnungslosigkeit in Zeiten der Unterdrückung begleitete den Grafiker Hans Andreas Paul (HAP) Grieshaber sein Leben lang. Natürlich dominiert es auch die kürzlich eröffnete Grieshaber-Ausstellung in der Gedenkstätte KZ Osthofen.
Beim Eintritt in die atmosphärisch sprechenden Räume, die einst der Unterbringung von SS-Wachmannschaften dienten, erblickt der Besucher zuerst das über viereinhalb Meter lange Triptychon »Weltgericht«. Drei weitere Male begegnet er hier der dreigeteilten Bildform in der Tradition des gotischen Flügelaltars.
Ritter und Weltkriegssoldat
»Die vier großen Triptychen Grieshabers in einer Ausstellung vereint - das ist eine Weltpremiere«, sagt Wolfgang Glöckner vom Freundeskreis HAP Grieshaber e.V. Als der Künstler um 1970 den Auftrag für eine Wandgestaltung im Bonner Abgeordnetenhaus bekam, nahm er an unter der Bedingung, dass das Werk für den Sitzungssaal des Verteidigungsausschusses sei. »Weltgericht« ist in Osthofen mit den originalen Holzreliefs der Druckstöcke beider Seitenteile zu sehen. Lebensgroß, schwarz von Druckfarbe und und seitenverkehrt stehen die Figuren der Eva und des Adam links und rechts neben dem als Kopie eingefügten Mittelteil. Hier beherrschen ein Atompilz und die Menschengestalt des Weltenrichters das Format. Im Augenblick der Vernichtung sind sie und die Geschöpfe der Erde, der Luft und des Wassers noch gegenwärtig und füllen die Bildfläche dicht gedrängt.
Ein weiteres Triptychon, »Vierteilung Jerg Ratgebs, 1526«, schuf Grieshaber 1973 für den Rathaussaal in Pforzheim: »Die Erinnerung daran, dass in ihrer Stadt Jerg Ratgeb so brutal umgebracht wurde, wollte Grieshaber den Pforzheimern nicht ersparen«, so Wolfgang Glöckner im Vorwort zum Ausstellungskatalog. Der Maler Jerg Ratgeb war Schwabe wie Grieshaber und ein Kriegsrat der aufständischen Bauern. Die Druckkunst-Tradition aus der Dürer- und der Ratgeb-Zeit nimmt Grieshabers Holzschnitt-Technik in diesem Werk auf und verjüngt sie. Mittig beherrschend die Darstellung der Richtstätte mit Pferdekörpern, Wagenstangen und verrenkten Gliedmaßen. Die Gesichter der Menschen und Tiere - ob Henkersknecht, Opfer oder Zugpferd - ähneln sich in grauenhafter Verzerrung. Links und rechts stehen die Tafeln mit je einem Männerkopf vor schwarzen Flammen: Der Ritter von 1525 und der Weltkriegssoldat des 20. Jahrhunderts - auch sie einander ähnelnd mit eisernem Helm, der den Mund verschließt und vom Antlitz nur ein starres Augenpaar erkennen lässt.
Bauernkrieg als Beginn
Den Deutschen Bauernkrieg sah Grieshaber als den Beginn der europäischen Bewegung für die Menschenrechte - und war damit in der Bundesrepublik einer der Wenigen, die diese opferreichen Kämpfe anlässlich ihres 450-jährigen Jahrestages würdigten.
Die Technik des Holzschnitts zwingt zur äußersten Konzentration in der Form: Das Werkzeug dringt in den widerständigen, einst lebendigen Stoff, der seine Eigengesetzlichkeit der Druckfläche überträgt. Grieshaber hat seinen Bildzeichen große Formate und starke Farben gegeben. »Afrikanische Passion« (1960) und »Kongo-Triptychon (1961) sind die Kommentare des «homme engagé», als den er sich sah, auf die afrikanische Befreiungsbewegung. Starke Rot- und Orange-Töne hinter dem Druckschwarz der lebensfroh tanzenden Figuren. In ihrer Mitte: «Der Raketenmensch» kündet mit maskenhaften Zügen von bedrohlicher Aufrüstung.
Insgesamt sind 31 Werke und Exponate ausgestellt. Ein Plakat aus dem Jahr des Koreakrieges 1950 mit dem Porträt der koreanischen Mutter, Mund und Augen in Trauer verengt, ist das Logo der Ausstellung: «Malgré Tout - Trotz Allem!»
«HAP Grieshaber - Malgré Tout - Trotz Allem!» noch bis zum 1. Dezember 2013 in der Gedenkstätte KZ Osthofen bei Worms, Di bis Fr: 9 bis 17 Uhr. An Wochenenden und Feiertagen 13 bis 17 Uhr. Telefon: 06242-9108 10
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