Schüsse in Sanaa - Jemen im Fokus

Der Mord an einem deutschen Sicherheitsbeamten bringt die desolate Lage im Land in die Berichterstattung

  • Martin Lejeune
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Mord an einem deutschen Sicherheitsbeamten rückt den Krisenstaat Jemen wieder einmal in den Fokus der internationalen Berichterstattung.

Nach der Ermordung eines deutschen Sicherheitsbeamten in Jemen will Deutschland eigene Ermittler in das arabische Land schicken. Außenminister Guido Westerwelle dazu am Montag in Berlin: »Ein Team von deutschen Experten wird die Aufklärung in Sanaa vor Ort unterstützen.« Die dortige Regierung habe ihre volle Mitwirkung bei der Aufklärung des Verbrechens versprochen. Zu den Hintergründen der Tat äußerte sich Westerwelle nicht näher. Auf die Frage nach konkreten Hinweisen auf eine Urheberschaft der Terrororganisation Al Qaida antwortete er: »An Spekulationen beteiligen wir uns nicht.«

Der 39-jährige Beamte war am Sonntag von drei Unbekannten vor einer Kaufhalle erschossen worden. Er war Mitglied der Bundespolizei und zuständig für den Schutz von Botschafterin Carola Müller-Holtkemper.

Ob die Tat in Sanaa mit der desolaten politischen Lage des Landes in Zusammenhang steht, ist offen, wird aber von Beobachtern durchaus für möglich gehalten.

Der Süden Jemens ist benachteiligt und wehrt sich gegen die Dominanz des Nordens. Die Folge: Sezessionskämpfe brechen im Süden aus. Das zweite Problem: Al Qaida wird im Landesinneren immer stärker. In Jemen erstreckt sich die Staatsmacht nur noch über die urbanen Zentren.

Die Bevölkerung des Südens werde nicht nur politisch unterdrückt, sondern profitiere auch weniger als der Norden von den Erdöleinnahmen des Landes, behaupten Südjemeniten. Durch den Bürgerkrieg von 1994 wurden die Separatisten, die eine Sezession und Restauration eines unabhängigen südjemenitischen Staates fordern, wie es ihn zwischen 1967 und 1990 schon einmal gab, entschieden geschwächt. Doch 2007 haben sich mehrere Strömungen zur Südlichen Bewegung SB zusammengeschlossen, um gegen die Zentralregierung in Sanaa geschlossen vorzugehen.

Für Mohammed Saif Haidar vom »Sheba Centre for Strategic Studies« in Sanaa, einem politikwissenschaftlichen Institut in Nordjemen, ist die SB mehr als tribaler Widerstand, »gerade weil sie mindestens sieben unterschiedliche Gruppierungen erfasst, die sich nicht in erster Linie über ihre Stammeszugehörigkeit definieren, sondern durch ihren Kampf für politische Freiheit und wirtschaftliche Gleichheit«. Weil sich viele Südjemeniten »als Opfer der Diskriminierungspolitik der Regierung und als Staatsbürger zweiter Klasse sehen und die Kämpfer der SB somit über eine breite Basis in der Bevölkerung verfügen, glaubt Haidar, «dass die SB sehr wohl die Legitimität der Regierung und die Stabilität des Landes zu erschüttern vermag».

Dem stimmt Christoph Wilcke, Senior Researcher in der Abteilung Mittlerer Osten von Human Rights Watch (HRW), zu: «Die SB ist eine breit im Volk verankerte Protestbewegung. Eine andere oder relevantere gibt es in Jemen nicht. Sie ist viel wichtiger als die Studentenproteste, die sich derzeit in Sanaa oder Taiz abspielen.»

In einem 75 Seiten starken Bericht mit dem Titel «Die brutale Antwort der jemenitischen Regierung auf die Proteste der SB» dokumentiert HRW über 500 Tote und 4000 Verletzte seit dem Jahr 2007 durch Angriffe des Regimes auf die Kämpfer der SB.

«Die Regierungstruppen nehmen die SB vor allem in der Gegend um Ad-Dali im Bezirk Lahj in letzter Zeit wieder verstärkt unter Artilleriebeschuss», berichtet Christoph Wilcke. Ad-Dali liegt genau im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südjemen.

Die Anführer der SB sind hohe frühere südjemenitische Militäroffiziere und ehemalige führende Parteifunktionäre der Sozialistischen Partei, die bereits im alten Südjemen eine wichtige politische Rolle spielten.

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