Westerwelle und die Menschenrechte
Der Außenminister zu Besuch in der Ukraine. Dort will er auch Timoschenkos Freilassung erwirken
Bundesaußenminister Guido Westerwelle ist Donnerstag und Freitag zu Besuch in der Ukraine, um in Kiew an einer internationalen Konferenz und an der Eröffnung eines Kinderzentrums teilzunehmen. Am Rande will er auch politische Gespräche mit Präsident Viktor Janukowitsch führen. Dabei soll erneut die Freilassung der seit zwei Jahren inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko verhandelt werden.
Timoschenko wurde 2011 wegen angeblichem Amtsmissbrauchs zu sieben Jahren Haftstrafe verurteilt, den Prozess bezeichnete die Europäischen Union (EU) als »politisch motiviert«. Deutschland hat sich bereits wiederholt zu einer sofortigen Aufnahme der Politikerin bereiterklärt und die Berliner Charité bot an, Timoschenko gegen ihren chronischen Bandscheibenvorfall zu behandeln. Nach Angaben des Auswärtigen Amts vom Mittwoch wird es Westerwelle als »eines von mehreren Themen« auch um eine Lösung des Falls Timoschenko gehen. Zuvor hatte die Bundesregierung und auch Präsident Joachim Gauck an Staatspräsident Viktor Janukowitsch appeliert, seine Gegenspielerin zu begnadigen.
Die Ukraine bemüht sich derzeit, die Anforderungen für ein Assoziationsabkommen mit der Europäischen Union (EU) zu erfüllen. Die EU hatte die Freilassung der 52-jährigen Timoschenkos zur Bedingung für den Abschluss der Vereinbarung gemacht. Die Chancen stehen also gut, dass die seit langem über Folter und unzureichende medizinische Versorgung klagende Timoschenko doch frühzeitig aus der Haft entlassen wird. Als Zeichen für ein Einlenken der Ukraine bewerten Experten die Tatsache, das Janukowitsch am vergangenen Freitag einen hochrangigen Staatsanwalt absetzte, der als öffentliches Gesicht der Strafverfolgung gegen Timoschenko gelten kann.
Timoschenko, wegen ihrer Gasgeschäfte mit Russland auch »Gasprinzessin« genannt, ist in der Ukraine durchaus umstritten. Ihr Vermögen machte sie in den 90er-Jahren auf dem völlig intransparenten Energiemarkt der Ukraine. Weitere Vorwürfe gegen sie sind die Zweckentfremdung von Geldern sowie die Beteiligung an einem Mordkomplott – was ihr allerdings beides nie nachgewiesen werden konnte.
Die Situation in der Ukraine verschlechtert sich derweil stetig. Davon zeugen die miserablen Haftbedingungen, die steigende Aids-Rate und die vielen Fälle von Zwangsprostitution. Die Mächtigen der Politik sind auch die Reichen des Landes, für viele Ukrainer gehört Timoschenko dazu. Ihr Zuspruch schwindet gerade bei der armen Bevölkerung.
Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat zudem die deutsche Politik bereits mehrmals aufgefordert, in der Diskussion um Julia Timoschenko andere Verstöße gegen die Menschenrechte in der Ukraine nicht aus den Augen zu verlieren.
»Die Misshandlungen der inhaftierten Oppositionspolitikerin Timoschenko sind nicht akzeptabel. Aber es gibt auch andere sehr ernste Menschenrechtsverletzungen im Land«, sagte Hugh Williamson, HRW-Beauftragter für Europa und Zentralasien. Die Situation vieler Strafgefangener in der Ukraine sei höchst bedenklich. In vielen Gefängnissen herrschen miserable hygienische Zustände, viele Inhaftierte sind drogenabhängig.
Besonders hob HRW die Situation von Flüchtlingen im Land hervor, denen Misshandlung und willkürliche Verhaftung durch ukrainische Grenzbeamte und die Polizei drohten, so HRW. Flüchtlinge berichteten auch von Folterungen mit Elektroschocks, nachdem sie bei dem Versuch festgenommen worden waren, in die Europäische Union einzureisen, oder nach ihrer Abschiebung aus der Slowakei oder Ungarn. Trotz eines Rückübernahmeabkommens vom 1. Januar 2010 und EU-Geldern werden die Rechte von Flüchtlingen in der Ukraine nicht ausreichend geschützt.
Auch dies sollte Westerwelle bei seinem Besuch in der Ukraine ansprechen und Bedingung für ein Assoziationsabkommen mit der EU sein.
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