Reif für die Weltmeisterschaft

Die Fußball-Nationalmannschaft von Bosnien und Herzegowina kann erstmals ein großes Turnier erreichen

In ihrer kurzen Geschichte hat die Fußball-Nationalelf von Bosnien und Herzegowina eine beachtliche Entwicklung genommen. Die »Goldene Generation« will heute den nächsten Schritt machen - zur WM.

Wenn man noch nichts gewonnen hat, kann man auch nichts verlieren. Während so manche Fußball-Großmächte vor den letzten Spielen in der Qualifikation zur Fußball-WM 2014 unter der Last vergangener Erfolge das Zittern bekommen, tritt die Nationalmannschaft von Bosnien und Herzegowina mit der Leichtigkeit eines Außenseiters an. Heute kann das Team in Kaunas gegen Litauen sich erstmals für eines der großen Turniere qualifizieren. Und die Ausgangslage in der Gruppe G ist dafür gar nicht so schlecht. Punktgleich führt Bosnien und Herzegowina vor Griechenland, hat aber das weitaus bessere Torverhältnis. Da dies bei gleicher Punktzahl letztlich entscheidend ist, reicht den »Goldenen Lilien« ein Sieg. Der muss es aber werden, denn die Griechen empfangen zum letzten Gruppenspiel das Leichtgewicht Liechtenstein.

In vier von den insgesamt neun europäischen Gruppen steht noch kein Sieger fest. In der Gruppe H kämpft England im Fernduell mit der Ukraine um das direkte Ticket nach Brasilien. Mit einem Sieg wäre die englische Nationalmannschaft sicher bei der WM 2014 dabei. Aber vor dem Heimspiel heute gegen Polen umgeben Zweifel das Team. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass Polen den Fuß vom Gaspedal nehmen wird«, warnt Trainer Roy Hodgson vor dem Gegner und einer möglichen Blamage.

Gruppe G

Griechenland - Liechtenstein 19.00
Litauen - Bosnien 19.00
Lettland - Slowakei 20.10

1. Bosnien 9 29:6 22
2. Griechenland 9 10:4 22
3. Slowakei 9 9:8 12
4. Litauen 9 9:10 11
5. Lettland 9 8:18 7
6. Liechtenstein 9 4:23 2

 

In der Gruppe I sieht Frankreich schon vor der letzten Partie keine Chance mehr auf Platz eins, Spanien hat drei Punkte Vorsprung und spielt daheim gegen Georgien. »Eine Weltmeisterschaft ohne Frankreich, das wäre schrecklich«, fürchtet Verteidiger Eric Abidal das Horrorszenario. Und da Platz eins an Spanien vergeben scheint, kündigte der französische Fußballverband vor den Playoff-Spielen, die die acht besten Gruppenzweiten bestreiten, schon mal Einspruch bei der FIFA an. Denn für die Auslosung am 21. Oktober ist Frankreich aufgrund der Platzierung in der Rangliste des Weltverbandes in den zweiten Topf der schlechter platzierten gerutscht. Der »Grande Nation« schaudert es vor Gegnern wie Portugal, Kroatien oder Schweden.

Ganz anders Bosnien und Herzegowina. Selbstbewusst ist die Nationalmannschaft nach Litauen gefahren. »Wir werden nicht geduldig spielen, sondern von der ersten Minute an attackieren und den Sieg suchen«, kündigte Nationaltrainer Safet Susic an. Eine Angst vor dem Scheitern kann es gar nicht geben, denn die Qualifikation zur WM wäre der größte Erfolg in der jungen Geschichte des Verbandes. 1992 wurde er nach der Trennung von Jugoslawien neu gegründet. Vier Jahre später wurde er von der FIFA aufgenommen, 1998 vom europäischen Verband UEFA.

Die Entwicklung, die die Nationalmannschaft von Bosnien und Herzegowina seitdem genommen hat, ist erstaunlich. Die Qualifikation zur Europameisterschaft 2004 und zur WM 2006 verpasste das Team jeweils erst am letzten Gruppenspieltag. Bei der Qualifikation zur WM 2010 und zur EM 2012 scheiterte es erst in den Playoffs. Und fast immer begeisterte die Mannschaft mit offensivem Fußball. Auch in dieser Qualifikationsrunde: In neun Spielen erzielte Bosnien und Herzegowina 29 Tore. Die zweitplatzierten Griechen trafen nur zehnmal. »Wir sind reif für die WM«, behauptet Tomislav Piplica nicht zu unrecht. Die ehemalige Nummer eins des FC Energie Cottbus ist Torwarttrainer des Teams.

Frühere Mannschaften aus Bosnien und Herzegowina waren oft nah dran. Die aktuelle kann man als »Goldene Generation« bezeichnen: Eine Mischung aus erfahrenen Profis und talentierten Nachwuchsspielern. Die Abwehr dirigiert Emir Spahic, der als Neuzugang in dieser Saison der Defensive von Bayer Leverkusen neue Stabilität verliehen hat. Im Mittelfeld regiert Zvjezdan Misimovic, dessen Genialität den VfL Wolfsburg 2009 zum Meister gemacht hat. Und im Angriff wirbeln Edin Dzeko von Manchester City und Vedad Ibisevic vom VfB Stuttgart die generischen Abwehrreihen durcheinander. In der WM-Qualifikation hat nur der Niederländer Robin van Persie mit elf Toren öfter getroffen, auf Platz zwei und drei folgen Dzeko (10) und Ibisevic (7). Ein Grund mehr, heute selbstbewusst aufzulaufen.

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