Kleine Revolution im sozialen Wohnungsbau

Kotti & Co kämpft mit neuen Finanzierungsmodellen für Übernahme von GSW-Wohnungen

  • Horst Arenz
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Mieterinitiative Kotti & Co will mit ihrer Idee Schule machen. Über einen öffentlichen Wohnungsbaufonds sollen privatisierte GSW-Wohnungen in öffentliches Eigentum umgewandelt werden.

Der Stadtplanungsausschuss des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg durfte sich kürzlich über eine lebendige Sitzung freuen. VertreterInnen der Mieterinitiative Kotti & Co in den GSW-Wohnungen am Kottbusser Tor hatten sich als Gäste angemeldet, um ihre Forderungen den Bezirksfraktionen näherzubringen. Die Initiative fordert öffentliche Mittel, um per Modellprojekt GSW-Wohnungen in öffentliches Eigentum zu überführen.

Während Piraten und Grüne im Grundsatz Unterstützung signalisierten, zeigte die Verwaltung allerdings die kalte Schulter: Man begrüße ja den Vorstoß, verwies aber an Senat und Abgeordnetenhaus. Nur das Land könne hier aktiv werden, der Bezirk habe weder Geld noch Personal. Die zuständigen Stadträte Hans Panhoff (Grüne) und Knut Mildner-Spindler (LINKE) spielten lieber Retourkutsche: Helfen könne die Initiative nur sich selbst durch die Fortsetzung des Mieterkampfes. Immerhin wurde Prüfung zugesagt. Die SPD hielt sich zurück.

Davon waren die anwesenden Vertreter der Bürgerinitiativen wenig begeistert, stellt ihr Konzept doch eine neue Qualität in der wohnungspolitischen Diskussion in der Stadt - und über die Stadt hinaus - dar. Gegen die Konzentration der Senatspolitik auf (teuren) Neubau setzt die Initiative den Fokus auf Bestandspflege und fordert nicht weniger als eine kleine Revolution im Sozialen Wohnungsbau. Die Idee ist ein öffentlicher Wohnbaufonds in Form eines Sondervermögens. In der Investitionsphase wäre dazu jährlich ein Landeszuschuss nötig. Mittelfristig erfolge die Refinanzierung als revolvierender Fonds über den Rückfluss der Kredite, ähnlich wie beim Marshallplan der Nachkriegsjahre. Die Kreditvergabe an die Investoren soll über die IBB abgewickelt werden, die mit der Bürgschaft des Landes im Rücken (Staatsbank mit Gewährträgerhaftung des Landes) zinsgünstige Darlehen ausreicht, ohne Auswirkungen auf die Schuldenbremse. Um eine einfache Kopie der renditeorientierten Praxis der städtischen Wohnungsbaugesellschaften zu vermeiden, geht das Konzept über eine Rekommunalisierung hinaus: Der Fonds sollte von einer zu gründenden Körperschaft öffentlichen Rechts gesteuert werden. Er wäre dann offen für andere Eigentumsformen, z.B. für von Mieterinitiativen gegründete Genossenschaften. Hier käme Kotti & Co ins Spiel, konkret die Rückübertragung von GSW-Wohnungen an die MieterInnen zu bewerkstelligen. Hinweise auf fehlende Machbarkeit quittiert die Initiative mit Lächeln: In Salzburg funktioniere das Modell seit Jahren bestens mit Nettokaltmieten von 4,78 Euro pro Quadratmeter. Sie will nun ihr Konzept mit den Parteien diskutieren, u.a. auf der wohnungspolitischen Konferenz der LINKEN am 19. Oktober.

Der Hintergrund zu dieser Idee liegt auf der Hand. Da ist zunächst der krasse Mangel an Sozialwohnungen als ein Kernelement »bezahlbarer« Wohnungen. Deutschland war einst eine der Hochburgen des Sozialen Wohnungsbaus mit berühmten Beispielen wie die Hufeisensiedlung in Britz und die Wohnstadt Carl Legien in Prenzlauer Berg. Beide sind übrigens Unesco Weltkulturerbe. In 30 Jahren hat ein Abbau der Sozialwohnungen von vier Millionen auf 1,8 Millionen stattgefunden. Berlin schießt dabei den Vogel ab: Nach einem Kahlschlag von 400 000 auf 250 000 in 20 Jahren beträgt der Anteil der Sozialwohnungen in der Hauptstadt nur noch 15 Prozent.

Hinzu kommt: Die Mieten in diesem Segment steigen und steigen. Durch die sogenannte degressive Förderung kann der Eigentümer die Miete im Maße der schrittweise abgesenkten Förderung um 13 Cent pro Jahr erhöhen. Das führt zu der absurden Situation, dass in Berlin die Mieten im Sozialen Wohnungsbau vielfach höher sind als die Mieten nach Mietspiegel. Hartz-IV-Haushalte, deren Unterkunftskosten vom Jobcenter übernommen werden, müssen ausziehen. Sozialer Wohnungsbau wird so zum Verdrängungsinstrument.

Die Bürgerinitiative will dem Irrsinn ein Ende setzen. Sie will aber auch mit dem alten Sozialen Wohnungsbau nichts mehr zu tun haben. Dieser war geprägt von Selbstbedienung der Banken und Steuerabschreibungen privater Vermögensbesitzer und Immobilienfonds, die allesamt nach einem Prinzip funktionierten: Produktion von »Verlustzuweisungen« über »Abschreibungsgesellschaften«. »Eigentum zum Nulltarif«, »Steuern, die Vermögen werden« titelten seinerzeit die großformatigen Werbeanzeigen der Anlageberater und Immobilienfonds. Die Praxis hatte auch eine kriminelle Seite: Über eine Kette von Steuerberatern, Rechtsanwälten, Generalübernehmern, Generalunternehmern, Sub- und Sub-Sub-Unternehmern verleitete sie zu illegaler Bereicherung und Parteienfinanzierung, die schließlich im größten Banken- und Bauskandal der Berliner Nachkriegsgeschichte endeten.

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