Anders Lehrer werden
Die Lehrkräfteausbildung wird reformiert / Senatorin gibt Jobgarantie für Mangelfächer
Berlin braucht dringend Lehrer, das ist schon lange kein Geheimnis mehr. Erst am Montag präsentierte die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) neue Zahlen, nach denen im kommenden Kalenderjahr 2000 Lehrer neu eingestellt werden müssen, das sind 300 Stellen mehr, als bisher angenommen. 14 Stellen konnten bereits zu diesem Schuljahr gar nicht besetzt werden, andere nur durch den Einsatz von Quereinsteigern ohne Lehramtsstudium.
Auch dieses Problem soll die Reform der Lehrerausbildung angehen, für die der Senat am Dienstag einen ersten Gesetzesentwurf vorstellte. Die Reform bringt wichtige Neuerungen: So soll es künftig nur noch drei Lehrämter geben, nämlich Grundschule, Berufsschule und einen gemeinsamen Studiengang für den Unterricht an Gymnasien und den Integrierten Gesamtschulen (ISS). Studenten dieses Studiengangs sollen sich zwar im Master auf eine der beiden Schulformen spezialisieren können, danach aber auch an der jeweils anderen Schulform lehren dürfen. »Beide Schulformen können zum Abitur führen, deshalb brauchen die Lehrer dort auch ähnliche Kompetenzen«, erläutert Scheeres diese Zusammenlegung. Eine Angleichung der Gehälter von ISS- und Gymnasiallehrern bedeute diese Änderung aber nicht.
Die Lehrerausbildung wird außerdem vereinheitlicht und besteht künftig für alle Studenten aus sechs Semestern Bachelor-, vier Semestern Masterstudium sowie einem 18-monatigen Referendariat. Durch die Einführung eines verpflichtenden einmonatigen Praktikums im Bachelor sowie eines sechsmonatigen Praxissemesters im Master sollen die Studenten frühzeitig herausfinden können, ob sie dem Lehrberuf gewachsen sind und besser auf den Schulalltag vorbereitet werden.
Der Lehramts-Master soll künftig auch Studierenden offen stehen, die im Bachelor nicht auf Lehramt studiert haben: Wer etwa einen Bachelor in Elektrotechnik in der Tasche hat, kann damit einen Lehramtsmaster beginnen, um dann später dieses Fach an einer Berufsschule zu unterrichten. »Damit wollen wir den Lehrerberuf für all diejenigen öffnen, die erst nach ihrem Bachelor-Studium diesen Berufswunsch entwickeln, um so dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken«, so Scheeres.
Auch beim Thema Inklusion gibt es Neuerungen: Zwar wurde die Umsetzung des Gesamtkonzepts »Inklusive Schule« erst kürzlich auf frühestens 2016 verschoben, weil Scheeres in den Verhandlungen für den kommenden Doppelhaushalt die entsprechenden Mittel nicht bewilligt bekam. Dennoch sollen Lehrer besser auf die Herausforderungen vorbereitet werden, die das Lehren an inklusiven Schulen mit sich bringt: Künftig sollen sonderpädagogische Inhalte als Teil der Didaktik-Grundausbildung im Studium verankert sein, je nach Studiengang müssen dann in diesem Bereich 8-16 Leistungspunkte erworben, also etwa 2-4 Seminare belegt werden. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit, ein Fach gegen Sonderpädagogik auszutauschen, also etwa die Kombination Mathe und Sonderpädagogik statt Mathe und Physik zu studieren. Das Lehramt für Sonderpädagogik wird es künftig dafür nicht mehr geben.
Die GEW Berlin begrüßte den Gesetzesentwurf als »Schritt in die richtige Richtung«. Viele der Gewerkschaftsforderungen seien aufgenommen worden, so Vorsitzender Helmut Schurig gegenüber »nd«. »Trotzdem hätten wir gerne mehr gehabt, sowohl bei der Vereinheitlichung der Studiengänge als auch beim Thema Inklusion«, so Schurig. Fraglich sei außerdem, wie die Umsetzung der Reform gelinge - bisher mangele es beispielsweise besonders bei den Schul-Praktika an adäquater Betreuung der Praktikanten, die aber gerade bei dem künftig verpflichtenden sechsmonatigen Praxissemester entscheidend sei.
Als »überflüssig« bewertete Schurig hingegen den Vorstoß der Senatorin, eine »Jobgarantie« für Lehrer in Mangelfächern wie Mathe, Naturwissenschaften und Musik auszusprechen. »Diese Garantie ist angesichts des Lehrermangels in Berlin doch längst Realität, das weiß jeder Lehramtsstudent«, so Schurig.
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