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Sand im Getriebe ...
Kritiker empfehlen weiterhin kein Foto für die elektronische Gesundheitskarte abzugeben
Seit September 2013 teilen die gesetzlichen Krankenversicherungen ihren Versicherten mit, dass man ab dem 1. Januar 2014 eine elektronische Gesundheitskarte (eGK) brauche, »um in Kliniken und Arztpraxen behandelt werden zu können«. Alte Krankenversicherungskarten, auch die mit einem Gültigkeitsdatum darüber hinaus, würden ab diesem Zeitpunkt ihre Gültigkeit verlieren. Das langjährige »Akzeptanzmanagement« ist an ca. fünf bis zehn Prozent der Versicherten gescheitert. Aus Protest gegen die eGK schicken sie kein Foto ein. Nun setzen die Kassen ihre Versicherten massiv unter Druck. Daten sind ja auch wertvoll und sollen so schnell wie möglich zur Kontrolle erhoben und ausgewertet werden.
Still und heimlich ist zum 1. Oktober die Anlage 4a zum Bundesmantelvertrag Ärzte geändert worden. Noch bis zum 7. Oktober wurde diese von der Kassenärztlichen Vereinigung nicht veröffentlicht. Und auch weiterhin bleiben die Informationen widersprüchlich. Nur »grundsätzlich« gilt ab dem 01. Januar »die elektronische Gesundheitskarte als Nachweis für die Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen«. Roland Stahl,Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, teilt jedoch in einem Interview am 7. Oktober mit, man könne auch mit der alten Karte in die Arztpraxis kommen und sich behandeln lassen. »Es gibt eine Übergangsfrist bis zum 1. Oktober 2014.« Die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg schwächt den Vertrag ebenfalls ab, auch auf »Basis der ›alten‹ KVK können (...) auch in Zukunft Leistungen abgerechnet« werden. Die Leistungen einer Versicherung können ja auch nicht von der Form des Versicherungsnachweises abhängig gemacht werden.
Schon vor acht Jahren begann eine kleine Arbeitsgruppe gegen die eGK zu mobilisieren. Wenn schon die Volkszählung anno 1981 zu breitem Protest geführt hat, schien Widerstand angesichts der Speicherung sensibler Gesundheitsdaten umso notwendiger zu sein. Vor allem die Ärzte trugen den Protest mit, ein breites Bündnis »Stoppt die E-Card« bildete sich.
Mehrere Klagen gegen die eGK laufen seit Jahren. Die Sozialgerichte vermeiden Entscheidungen. Zwei Jahre war eine Entscheidung im Sozialgericht Düsseldorf anhängig. Der Widerspruch gegen diese Entscheidung ist nun auch wieder seit einem Jahr anhängig. Zugleich sind es die vielen einzelnen Versicherten, die ihren Widerstand beibehalten, obwohl sie oft dem Druck der Kassen alleine begegnen und mit den Unsicherheiten umgehen müssen. Da gibt es diejenigen, deren Karten noch gültig sind und die nun durch die Kasseninformation – ohne rechtliche Hinweise – verunsichert werden. Und da gibt es diejenigen, die auch nach dem Auslaufen ihrer alten Karten, jedes Quartal einen papiernen Versichertennachweis bei der Kasse anfordern. Auch dann können die Ärzte mit der Kasse abrechnen. Und manche von diesen haben die Erfahrung gemacht, dass sie dann irgendwann doch eine alte Versichertenkarte zugeschickt bekamen.
Sie sind es, die die Skepsis gegenüber einer ausufernden Datenspeicherung und Überwachung aufrechterhalten. Zu hoffen ist, dass sie doch noch viele »anstecken«. Der jetzige Vorgang macht ja auch wieder einmal deutlich, wie schnell gesetzliche Grundlagen geändert werden können. Heimlich wird eine Anlage geändert, wie vorher schon Gesetze kurzfristig und ohne öffentliche Diskussion durch Anhänge an ganz andere Gesetze geändert wurden. Weder NSA-Skandal noch die vielen anderen Datenskandale schrecken viele ab. Dabei ist schon der beobachtete Mensch nicht mehr frei, die Beobachtung stellt einen Eingriff dar und manipuliert den, der beobachtet wird, wie die Schriftstellerin Juli Zeh neulich wieder konstatierte.
Es bleibt dabei: Kein Foto für die elektronische Gesundheitskarte! Aber dieser auf den Einzelnen setzende Protest wird bröckeln. Diejenigen, die die neue eGK haben, könnten sich überzeugen lassen, dass sie zumindest der Speicherung der Gesundheitsdaten auf zentralen Servern nicht zustimmen sollten.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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