Opposition droht Marginalisierung

Linkspartei und Grüne fordern die Wahrung der Minderheitenrechte im Bundestag

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.
LINKE und Grüne fürchten wegen ihrer zahlenmäßigen Schwäche, eine mögliche Große Koalition nicht effektiv kontrollieren zu können. Sie pochen nun auf verbindliche Regeln für die Rechte der Opposition.

Die Aussichten für die voraussichtlichen Oppositionsparteien im Bundestag, Grüne und LINKE, sind nicht gerade erfreulich. Wenn eine Koalition aus Union und SPD zustande kommen sollte, würde in den Bundestagsdebatten kaum Zeit für Kritik an der Regierungspolitik bleiben. »Bei einer Aktuellen Stunde könnte die Koalition neun Redner stellen und hätte insgesamt 45 Minuten Redezeit. Die Opposition hätte insgesamt zwei Redner«, gab bei einem Fachgespräch der grünen Bundestagsfraktion am gestrigen Montag Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann zu bedenken. Die Grünen hatten drei Verfassungsrechtler in das Parlament eingeladen, um mit ihnen über die Rolle der Opposition zu diskutieren, die das Gegengewicht zu einer Großen Koalition bilden müsste. Dabei ging es neben der Redezeit, die von der Geschäftsordnung des Bundestages geregelt ist, um weitere Minderheitenrechte der Opposition, die sogar im Grundgesetz festgeschrieben sind. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sowie für die Einleitung eines Normenkontrollverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht ist demnach ein Quorum von 25 Prozent notwendig. Eine Opposition aus Linkspartei und Grünen würde aber nur über 20 Prozent der Sitze im Parlament verfügen und könnte deswegen diese Minderheitenrechte nicht wahrnehmen.

Die geladenen Juristen, Martin Eifert, Pascale Cancik und Lerke Osterloh, stimmten darin überein, dass die Rechte der Opposition ein Verfassungsgebot seien. »Der Antrag auf einen Untersuchungsausschuss gehört zur Grundausstattung der Opposition«, erklärte die frühere Verfassungsrichterin Osterloh. Die Formulierung im Grundgesetz zum Viertel-Quorum sei hier aber »nicht als Sperre für andere Möglichkeiten zu interpretieren«. Statt einer Grundgesetzänderung sei eine Selbstverpflichtung des Parlaments, ein geringeres Quorum für die Legislaturperiode festzulegen, denkbar, so Osterloh. Um der Opposition den Gang vor das Bundesverfassungsgericht zu ermöglichen, brachte Rechtsprofessorin Cancik eine mögliche Verfassungsänderung ins Gespräch.

Nach der konstituierenden Sitzung des Bundestags am heutigen Dienstag dürfte es bald zu Gesprächen zwischen den Fraktionen über die Rechte der künftigen Opposition kommen. Union und SPD haben signalisiert, Grünen und LINKEN entgegenkommen zu wollen. Allerdings gibt es in den Parteien unterschiedliche Meinungen, wie das Problem gelöst werden kann. Die Grünen wollen klare Vereinbarungen in der Geschäftsordnung und anderen Gesetzen. Linksfraktionschef Gregor Gysi sprach sich dafür aus, eine Ergänzung des Grundgesetzes vorzunehmen. Danach soll für die Wahrnehmung der Minderheitenrechte ein einstimmiges Votum der Oppositionsfraktionen ausreichen. Die Union lehnt eine Änderung des Grundgesetzes ab. Denn laut Unions-Fraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) seien die Kraftverhältnisse im Bundestag »Resultat der freien Entscheidung der Wähler«. Die Konservativen haben kleine Änderungen der Geschäftsordnung sowie »informelle Lösungen« zwischen Regierungs- und Oppositionsfraktionen in Aussicht gestellt.

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