Ein kleiner Schritt für die Putzfrau

Mindestlohn bei öffentlichen Aufträgen wird um 50 Cent auf 8,50 Euro angehoben

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 3 Min.
Zehn Euro Mindestlohn sollen in Brandenburg Bedingung für Aufträge vom Staat werden. Daran arbeitet die LINKE. Es geht voran, aber langsamer als gehofft.

Die LINKE fordert einen gesetzlichen Mindestlohn von zehn Euro. In Brandenburg, wo sie mitregiert, schreibt das Vergabegesetz vor, dass Unternehmer ihren Beschäftigten wenigstens acht Euro die Stunde zahlen müssen, wenn sie öffentliche Aufträge erhalten wollen. Ein Widerspruch? Nein!

Zehn Euro sind das Ziel. Davon weicht die Partei nicht ab. Sie sieht sich auf dem Weg dahin. Tatsächlich kann jetzt wieder ein kleiner Schritt gemacht werden. Zum 1. Januar soll die Lohnuntergrenze für öffentliche Aufträge auf 8,50 Euro angehoben werden. Der Vorschlag stammt von der Mindestlohnkommission, in der Verwaltung, Wissenschaft, Unternehmer und Gewerkschaften vertreten sind. Am Dienstag stimmte das rot-roten Kabinett dem Empfehlung der Kommission zu. Der Landtag muss noch zustimmen. Doch das dürfte eine reine Formsache sein, denn SPD und LINKE stimmen sicher zu, vermutlich auch die Grünen. Die Anhebung sei »überfällig«, meine Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. »Sie wäre bereits ein Jahr früher möglich gewesen.«

Die drei Parteien fordern die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in der Bundesrepublik. Das würde die extra Lohnuntergrenze in einem brandenburgischen Vergabegesetz überflüssig machen. Diese Untergrenze ist sowieso nur eine Krücke, die vor allem dazu dient, den guten Willen zu demonstrieren und als Land mit gutem Beispiel voranzugehen. Denn 8,50 Euro erhalten beispielsweise nur die Wachleute und Reinigungskräfte, die etwa in den Ministerien aufpassen beziehungsweise in Rathäusern oder in Schulen putzen. Die Kollegen, die Betriebe bewachen oder Firmenbüros putzen, haben weiterhin Pech, und Friseure sind generell angeschmiert.

Doch ein gesetzlicher Mindestlohn, der für alle gilt, müsste im Bundestag beschlossen werden, wo es bislang keine Mehrheit dafür gab. Und jetzt, wo es diese Mehrheit theoretisch gibt, ist praktisch keine Koalition in Sicht, die sich dazu durchringen würde. Denn die SPD schloss einen Pakt mit den Sozialisten auf Bundesebene bekanntlich aus.

Der Vergabemindestlohn sollte den Anstieg der Verbraucherpreise abbilden, erläuterte Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) gestern. Da die Lebenshaltungskosten in den letzten anderthalb Jahren deutlich gestiegen sind, sei die Anhebung sinnvoll. »Löhne, die so niedrig sind, dass sie durch Sozialleistungen aufgestockt werden müssen, höhlen das System der sozialen Sicherheit aus«, erklärte Christoffers. Er fügte hinzu: »Auch der Wettbewerb um die Aufträge der öffentlichen Hand wird zu Lasten der Beschäftigten ausgetragen, dem wollen wir mit dem Vergabegesetz begegnen.«

Die Wachleute im Landtag verdienten bis zum Jahr 2012 maximal 6,53 Euro in der Stunde. Die seit Inkrafttreten des Vergabegesetzes zu Beginn des vergangenen Jahres gezahlten acht Euro waren eine spürbare Verbesserung. Linksfraktionschef Christian Görke hat einmal ausgerechnet, dass der Monatsverdienst bei einer 40-Stunden-Woche damit von 1044 auf 1280 Euro brutto stieg. Jetzt kämen noch einmal rund 80 Euro dazu. Große Sprünge lassen sich davon jedoch immer noch nicht machen. Selbst bei zehn Euro wäre das Einkommen immer noch bescheiden. Die märkische LINKE versprach im Landtagswahlkampf 2009 eine Lohnuntergrenze von 7,50 Euro und orientierte sich dabei an damaligen Forderungen der Gewerkschaft. Angesichts teilweise skandalös niedriger Löhne im Bundesland wäre auch das schon eine Verbesserung für manche Betroffene gewesen. Die Bundespartei schraubte ihre Forderung erst später auf zehn Euro hinauf. Die märkische LINKE sieht sich nun unterwegs zu diesem Ziel. Allerdings geht es nicht so schnell voran wie gedacht. Görke hatte einmal gehofft, dass von der Mindestlohnkommission bereits vor der Sommerpause 2012 die Ansage 8,50 oder neun Euro kommt. Bei diesem Tempo wäre es möglich gewesen, schon 2014 die zehn Euro zu erreichen. Daraus wird nun offensichtlich nichts mehr.

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