Wo Verwaltung war, wird Verwaltung bleiben
Enquetekommission des Landtags präsentierte ihren Abschlussbericht
In sieben bis zehn Kreise soll sich das Land Brandenburg künftig einteilen, und eine kommunale Verwaltung soll für wenigstens 10 000 Menschen zuständig sein. So schlägt es die Enquetekommission zur Kommunal- und Landesverwaltung in ihrem am Freitag präsentierten Abschlussbericht vor - aber keineswegs mit den Stimmen aller Kommissionsmitglieder.
Weil mit einer Umbildung von Verwaltungsstrukturen immer auch Ängste verbunden seien, handle es sich »nicht um ein Gewinnerthema«, weiß die Landtagsabgeordnete Ursula Nonnemacher (Grüne). Bei neun Zustimmungen, zwei Enthaltungen und drei Gegenstimmen - letztere von der CDU und den Kommunalen Spitzenverbänden - wurde von der Kommission festgestellt, Brandenburg könne die gegenwärtigen Aufgaben- und Verwaltungsstrukturen künftig nicht mehr finanzieren. Daher müsse sich die Zahl der Kreise verringern, und vom bisherigen Prinzip je einer Verwaltung für 5000 Menschen müsse abgegangen werden. Aus den bisherigen Ämtern mit eingesetzten Amtsdirektoren sollen Amtsgemeinden mit direkt gewählten Amtsbürgermeistern und einer Amtsgemeindevertretung werden. Eine erneute landesweite Gemeindegebietsreform wird dagegen nicht befürwortet.
Der Abschlussbericht fordert zwar nicht unumwunden, den bislang kreisfreien Städte Brandenburg/Havel, Frankfurt (Oder) und Cottbus ihren Status zu nehmen. Doch empfiehlt sie »die Prüfung der Effekte, … wenn sie Landkreisen angehören«.
Bei der Verteilung der künftigen Verwaltungsaufgaben sind die Empfehlungen äußerst detailliert. Auf kommunaler Ebene sollen unter anderem folgende Aufgaben übernommen werden: Vollstreckung von Forderungen der Steuer- und Justizverwaltung, Eheaufhebung, Schwerbehindertenrecht und Opferfürsorge, Kirchenaustritte, Schornsteinfegerangelegenheiten, Aufsicht über Kinderheime, Vergabe der Fördermittel aus der Jagdabgabe.
Nicht kommunalisiert werden sollen dagegen Waffenrecht, Enteignungen, Beglaubigung von Urkunden, Schulaufsicht, Sportförderung, Straßenbau, Laboruntersuchungen, die Verwaltung von Großschutzgebieten, Tierseuchenverhütung und Tierseuchenkasse sowie die Zuständigkeit für Arzneimittel und Apotheken.
Ohne sich zu entscheiden, empfiehlt die Kommission, über die Kommunalisierung von Regionalplanung, Erlaubnis- und Lizenzverfahren für den Güterkraftverkehr, den Städtebau und die Bautechnik nachzudenken, ebenso über die Kommunalisierung von Agrarförderung und Immissionsschutz.
Obwohl auch die CDU Reformbedarf anerkennt, hat sie sich von diesen Zielen in einem Sondervotum abgegrenzt. Der CDU-Abgeordnete Sven Petke kritisierte den »Fusionszwang von SPD und LINKE«. Es sei »wichtig zu klären, wie Brandenburg angesichts rückläufiger Bevölkerungsentwicklung lebenswert bleibt und wie bürgernah und leistungsstark die Gemeinden und Landkreise in Zukunft sein sollen«, heißt es im Sondervotum der CDU. Doch dürften keine »identitätslosen Großgemeinden« die Folge sein. Daher sollte es bei einer Mindestgröße von 5000 Einwohnern bleiben.
Zusammenschlüsse sollten demzufolge auf freiwilliger Basis erfolgen und Zwang sollte nur in Ausnahmefällen angewendet werden. Andernfalls würden riesige Einzugsgebiete von 700 und mehr Quadratkilometern entstehen. Der SPD-Abgeordnete Manfred Richter wies das zurück. Im Bericht sei ausdrücklich eine territoriale Begrenzung der Zuständigkeitsgebiete vorgesehen. Er halte nichts davon, Ängste zu schüren. »Wo Verwaltung war, wird auch künftig Verwaltung sein.«
Auch die übrigen Parteien reagierten ungehalten auf das in ihren Augen populistisch motivierte Ausscheren der CDU und brachten das mit den 2014 bevorstehenden Kommunal- und Landtagswahlen in Verbindung. Hans-Jürgen Scharfenberg (LINKE) betonte, was das Prinzip der Freiwilligkeit betreffe, renne man bei den Sozialisten offene Türen ein. Scharfenberg erinnerte daran, dass die CDU 1999 im Landtagswahlkampf die Existenz der Kleinstgemeinden verteidigt hatte, die nach der Wahl von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) umgehend und kühl abgeschafft wurden.
Der Kommissionsvorsitzende Stefan Ludwig (LINKE) räumte ein, dass der nächste Landtag die Vorschläge des Gremiums nicht umsetzen muss. Das Parlament könne durchaus entscheiden, den ganzen Prozess von vorn beginnen zu lassen. »Aber das kann ich mir nicht vorstellen.«
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