TTIP – ein Déjà-vu für die globalisierungskritische Bewegung

  • Laura Valentukeviciute
  • Lesedauer: 4 Min.
Laura Valentukeviciute engagiert sich bei attac und arbeitet als Koordinatorin bei Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB).
Laura Valentukeviciute engagiert sich bei attac und arbeitet als Koordinatorin bei Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB).

Seattle, Cancún und Hongkong lassen grüßen. Dort trafen sich 1999, 2003 bzw. 2005 die Mitglieder der Welthandelsorganisation (WTO), die das Bündel aus Freihandelsabkommen erweitern wollen, das die weitere Deregulierung und Liberalisierung der Weltwirtschaft herbeiführen soll.

Die heutigen globalisierungskritischen Organisationen, darunter auch Attac, fanden nach Seattle ihren Anfang und begleiteten die WTO-Freihandelsabkommen wie GATS oder TRIPS noch jahrelang nach dem Abebben der massenhaften Proteste mit ihrer kritischen Analyse.

Seit Hongkong stockt der WTO-Verhandlungsprozess. Aber die Verschnaufpause war kurz, der nächste Hydra-Kopf TTIP (Transatlantische Handels- und Investment-Partnerschaft) wächst seit Mitte Juli. 2015 soll das Abkommen für die Schaffung der größten Freihandelszone der Welt und für den Schutz der Investoren in Kraft treten. Neben der EU und der USA soll es Kanada und Mexiko, die Schweiz, Liechtenstein, Norwegen und Island umfassen und auch EU-Beitrittskandidaten wie Mazedonien und die Türkei einbeziehen.

Das Abkommen wird, insbesondere angesichts der Folgen der Finanzkrise, zur Maßnahme für mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze erklärt. Wie die Bertelsmann-Stiftung in einer Studie vom Juni 2013 prognostiziert, soll das TTIP zwischen 5 und 13,4 Prozent Steigerung des Bruttoinlandsproduktes je Einwohner in den USA und der EU bringen. Die Beispiele anderer Freihandelsabkommen, wie zum Beispiel das Nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA, zeigen aber, dass solche Versprechen kurzlebig sind und eklatante Nachteile für die Gesamtwirtschaft nach sich ziehen. Trotzdem täuschen die Regierungen in EU und USA die Öffentlichkeit weiter.

Neben dem Abbau der Zölle, die zurzeit ohnehin schon niedrig sind, soll das Abkommen die Harmonisierung von Standards und Zulassungsvorschriften herbeiführen und einen stärkeren Schutz der Investoren gewähren. Unter der wohlklingenden »Harmonisierung« von Standards verbergen sich Risiken wie zum Beispiel der Abbau von Umwelt- und Sozialstandards. Die »Harmonisierung« der Zulassungsvorschriften bedeutet, dass die Einfuhrschranken für gentechnisch manipulierte Pflanzen und Tiere abgebaut werden sollen, und die Kennzeichnung der Produkte, die zum Beispiel hormonell oder chemisch behandelt worden sind, nicht erforderlich sein soll. Damit würden die europäischen Umwelt- und Verbraucherschutzstandards abgebaut und mit Hilfe der so genannten Standstill-Verpflichtung (die Aufrechterhaltung des Status quo) auch niedrig gehalten: Einmal aufgehobene Beschränkungen können nicht wieder eingeführt werden. Das wäre eine Art »Ewigkeitsklausel«, die wir sonst nur für einige ganz wichtige Artikel im Grundgesetz kennen, die uns zum Beispiel vor einer Diktatur schützen sollen.

Ein anderer ganz wichtiger Punkt ist die Schiedsgerichtsbarkeit, die durch TTIP manifestiert werden soll. Die Schiedsgerichtsklausel schafft Sonderrechte für die Unternehmen, gegen die USA oder die EU zu klagen, wenn sie der Ansicht sind, dass ihre Gewinne durch bestimmte Auflagen im Bereich Ökologie, Soziales oder Verbraucherschutz geschmälert werden oder werden könnten. An Phantasie wird es den Unternehmen bestimmt nicht mangeln, das zeigt schon jetzt der rasante Zuwachs der Schiedsgerichtsverfahren: Während früher in 100 Jahren ca. 200 Fälle behandelt wurden, erhöhte sich die Zahl auf 480 Verfahren in den vergangenen zehn Jahren und zuletzt im Jahr 2012 wurden bereits 62 Fälle registriert.

Weshalb es für die Investoren so attraktiv ist, vor einem Schiedsgericht und nicht vor einem ordentlichen Gericht zu klagen, kann man wie folgt erklären: Die Schiedsgerichte tagen im Geheimen, unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente; mit diesem Verfahren werden der ganze Rechtsstaat und die demokratische Kontrolle umgangen, samt der Gesetze, die eine andere Entscheidungsbasis bieten würden; und die Chancen, vor einem Schiedsgericht Erfolg zu haben, sind ziemlich hoch: Bei 70 Prozent der Fälle wird den Investoren Recht gegeben.

Neben den Gefahren, die das Abkommen mit sich bringt, gibt es auch eine weitere erschreckende Erkenntnis: das Wachstum ist immer noch die heilige Kuh, obwohl es mittlerweile vielen klar ist, dass dies keine Zukunft hat. Und wieder mal sind die Kritik daran und die Suche nach Alternativen eine Aufgabe für die sozialen Bewegungen. Mit Wachstumskritik setzen sich AktivistInnen im September 2014 in Leipzig bei der internationalen »Degrowth«-Konferenz auseinandersetzen. Das nächste Treffen für die TTIP-GegnerInnen findet am 9. November in Frankfurt am Main statt, an der Mitarbeit Interessierte sind willkommen.

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