Außerordentlich tabulos

23. Festival des osteuropäischen Films in Cottbus

  • Wilfried Neiße
  • Lesedauer: 4 Min.
Aktuelle Filme aus den einstigen sozialistischen Bruderstaaten kommen in Ostdeutschland nur noch selten in die Kinos. Das Filmfestival in Cottbus ist die Ausnahme.

In Cottbus hat der osteuropäische Film seit 23 Jahren ein beachtetes, gewürdigtes, gelungenes Forum. An einem hat das jedoch nichts geändert: In der deutschen Kino- und Fernsehwelt spielt dieser osteuropäische Film so gut wie keine Rolle mehr.

Als am Dienstag die Neuausgabe des Cottbuser Festivals des osteuropäischen Films vorgestellt wurde, kam man an diesem Umstand nicht vorbei. Filme aus den Staaten im Osten sind am »Markt« sehr gering vertreten, bestätigte Bernd Buder, Programmleiter des Filmfestivals, das vom 5. zum 10. November in die Kinos der Lausitzstadt lockt. Doch treffe das auch für den norwegischen oder holländischen Film zu, bemerkte er. Im Grunde seien alle mit der Dominanz Hollywoods konfrontiert.

In den Kinos finden sich Streifen aus den ehemals sozialistischen Ländern nur »marginal«, räumte auch der Geschäftsführer des Filmfestes Jörg Ackermann ein. Doch wollte er dabei eine Lanze für den Regionalsender rbb brechen: Parallel zum Festival werde dort immer eine spezielle Filmreihe osteuropäischer Filme ausgestrahlt. In besonderen Kinos und in Programmkinos in Deutschland werden solche Filme auch nach ihre Cottbuser Premiere gezeigt.

Mit rund 140 Filmen aus 38 Ländern wird auch diesmal das Festival den Cottbusern eine reiche Auswahl bieten. Unter den Herkunftsstaaten finden sich nicht ausschließlich osteuropäische Länder, weil Koproduktionen vertreten sind. Immer aber war ein osteuropäisches Land beim Dreh beteiligt.

Laut Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE) spendet das Land Brandenburg für das Filmfestival 220 000 Euro. Großkonzerne wie Vattenfall, BASF und Siemens gewähren Unterstützung, in welcher Höhe, verriet die Festivalleitung allerdings nicht.

»Natürlich könnten wir auch das Doppelte gebrauchen«, sagte Geschäftsführer Ackermann. Insgesamt stehen mehrere Preise zur Verfügung, der Hauptpreis für den besten Spielfilm ist mit 20 000 Euro dotiert. Begehrt sei auch die gläserne Preisskulptur »Lubina«. Innerhalb des Programms widmet sich der Kurzfilmwettbewerb der Förderung junger Filmemacher. Im deutsch-polnischen Filmwettbewerb U 18 kürt eine Jury aus deutschen und polnischen Schülern ihren Favoriten. Als »roter Faden« ist diesmal unter dem Leitmotiv »Osteuropa der Kulturen« die filmische Umsetzung der Thematik »Sinti und Roma« vorgesehen, wie auch das Heimatthema der Sorben beziehungsweise Wenden in Deutschland.

Doch gebe es niemals eine thematische Begrenzung, ein Film beispielsweise begleitet einen slowakischen Kommunalpolitiker im Wahlkampf, ein anderer biete die Verfilmung eines serbischen Märchens. Das Festival wolle den Blick freigeben auf das ungemein interessante Filmschaffen in ehemals sozialistischen Ländern. Geprägt sei das davon, dass es »außerordentlich tabulos« daherkomme, sagte Buder.

Minister Christoffers wies auf das Cottbuser Jugendstilkino »Weltspiegel« hin, das mit 102 Jahren vermutlich älteste Kino Deutschlands, das sich inzwischen rekonstruiert und mit modernster Technik ausgestattet zeigt. Auch das gehöre zum würdigen Rahmen des jährlichen Filmfestivals. Das Filmfest werde auch weiter dazu dienen, den osteuropäischen Film bekannt zu machen und ihm eine Plattform zu bieten.

Gegründet worden ist das Festival 1991, und es gilt inzwischen als führendes Forum des zeitgenössischen Filmschaffens in Osteuropa. Zu 80 Prozent sitzen im Publikum Cottbuser. Einen regelrechten Tourismus habe man mit dem Festival noch nicht erzeugen können, gaben die Veranstalter zu. Doch gebe es durchaus Gäste, die sich für dieses Festival eine Woche Urlaub nehmen und extra anreisen. Vertreten seien alle Altersklassen, vom Kind bis zum Rentner, und sie gehören auch allen sozialen Schichten an, die es in Cottbus gibt. Man hoffe diesmal, die 20 000er Grenze bei den Besuchern »zu knacken«.

Sehen Ostdeutsche und Westdeutsche die gezeigten Filme anders? Geschäftsführer Ackermann besteht darauf: »Wir Ossis kennen die Erzählweise des rumänischen, ungarischen, polnischen oder tschechischen Films. Das funktioniert bei uns. Bei den Wessis ist das nicht immer gleich so.« Zwischen dem ostdeutschen und dem westdeutschen »Bildungsbürgertum« nahm er da deutliche Unterschiede wahr.

Etwas pikiert reagierte darauf Kirsten Niehuus, Geschäftsführerin des Medienboards Berlin-Brandenburg. In digitalisierter Form werde am 12. November im Westberliner »Eva«-Kino der Konrad-Wolf-Film »Solo Sunny« gezeigt, sagte sie. Und sie sei sicher, das werde auch in Westberlin »super funktionieren«.

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