Syriens Chemiewaffen-Fabriken jetzt »funktionsuntüchtig«
UN-Organisation bestätigt: Damaskus hat Frist eingehalten / Schwierige Sondierungsgespräche für Vermittler Brahimi
Die UN-Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) hat am Donnerstag bestätigt, dass Syrien die vorgegebene Frist für die Zerstörung seines Chemiewaffenbestandes eingehalten hat. In 21 militärischen Einrichtungen seien alle Vorrichtungen zur »Herstellung, Mischung und Füllung« chemischer Waffen zerstört worden, hieß es in einer Erklärung der Organisation in Den Haag. »Alle Chemikalienlager und alle Chemiewaffen sind versiegelt, mit Siegeln, die nicht gebrochen werden können«, sagte OPCW-Sprecher Christian Chartier gegenüber AFP.
Insgesamt hatte die syrische Regierung 23 Einrichtungen für die Herstellung chemischer Waffen an die internationale Überwachungsbehörde gemeldet. Zwei der Einrichtungen habe man wegen des Krieges nicht erreichen können, so die OPCW. Allerdings sei das entsprechende Material aus diesen zwei Einrichtungen von den syrischen Streitkräften vor einiger Zeit schon gesichert und in andere Einrichtungen gebracht worden, dort habe man die Zerstörung überwacht.
Syrien verfüge über einen Bestand von 1300 Tonnen Chemiewaffen, die nun bis zum Sommer 2014 ebenfalls zerstört werden müssen. Die Hohe Vertreterin des UNO-Generalsekretärs für Abrüstung, die Deutsche Angela Kane, hält sich derzeit in Moskau auf, um mit der russischen Regierung über die Unterstützung bei der Zerstörung der syrischen Chemiewaffen zu verhandeln.
Mit Skepsis beobachtet die syrische Bevölkerung derweil die Bemühungen des UN-Sondervermittlers für Syrien, Lakhdar Brahimi (Algerien), der mit einer neuen Vermittlungsinitiative alle notwendigen Partner für die Genf-II-Gespräche an einen Tisch zu bringen versucht. Er wolle, dass keine Waffen mehr nach Syrien geliefert würden, sagt der Apotheker Maher*, der im nd-Gespräch darum bittet, unter einem anderen Namen zitiert zu werden. »Die Syrer sind in der Lage, ihr Land wieder aufzubauen. Wir wollen nicht, dass andere über unsere Zukunft entscheiden.« Der Agraringenieur Nabil M. meint, die Verhandlungen zu Genf II seien schon voll im Gange: »Genf II wird nur noch ein Fototermin sein.« Vermutlich werde es mehr Verhandlungsrunden geben als Genf II, überlegt der Wirtschaftswissenschaftler Nabil Sukkar. »Wir werden Genf V und Genf VI, vielleicht auch noch Genf VII sehen, wichtig ist, dass sie endlich anfangen zu reden.«
Nach Gesprächen in Irak und Iran war UN-Sondervermittler Brahimi am Montag in Damaskus eingetroffen. Schon am Dienstag war er mit Vertretern des Nationalen Koordinationskomitees für Demokratischen Wandel in Syrien sowie mit der Gruppe »Den Syrischen Staat aufbauen« zusammengetroffen, um deren Position zu den Genf-II-Gesprächen zu erörtern. Bei einem Treffen mit dem syrischen Außenminister Walid Mouallem versicherte dieser erneut, dass die syrische Regierung zu Gesprächen in Genf bereit sei. »Syrien wird an den Genf-II-Gesprächen teilnehmen, solange sie auf der Basis stattfinden, dass es das exklusive Recht des syrischen Volkes ist, ihre politische Zukunft und ihre Führung zu wählen«, sagte Mouallem. Jede Form ausländischer Einmischung lehne man ab.
Nach weiteren Gesprächen mit syrischen Oppositionsgruppen, die unbewaffnet für eine Veränderung in Syrien kämpfen, war es am Donnerstag nach zehn Monaten erstmals wieder zu einer Begegnung zwischen Brahimi und dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad gekommen. Das syrische Fernsehen meldete, Assad habe bei dem Gespräch erneut darauf hingewiesen, dass eine politische Lösung nur dann Erfolg haben werde, wenn »die Unterstützung für terroristische Gruppen gestoppt und Druck auf die Staaten ausgeübt werde, die diese Gruppen fördern«.
Abgelehnt werden die Genf-II-Gespräche bisher von der oppositionellen Nationalen Koalition und von der »Freien Syrischen Armee«. Beide Gruppen verlangen zuvor den Rücktritt des syrischen Präsidenten, worin sie von der Kerngruppe der »Freunde Syriens« unterstützt werden. Diese Staaten - Katar, Saudi-Arabien und die Türkei -, die die Aufständischen finanzieren, haben bisher keinen Termin für ein Treffen mit Brahimi angeboten.
Bewaffnete islamistische Gruppen der Nusra-Front und der Gruppierung »Islamischer Staat in Irak und Groß-Syrien (Levante)« haben sich kategorisch gegen jede Art von Verhandlung ausgesprochen. Jeder, der an Genf II teilnehme, werde als »Verräter« betrachtet, hieß es in einer Erklärung der besonders aus Saudi-Arabien finanzierten Islamisten.
*Name geändert
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