Ein kommunales Stadtwerk kann billigeren Strom anbieten

Ex-Wirtschaftssenator Harald Wolf zum Volksentscheid, der Bedeutung eines Berliner Energieunternehmens sowie der Wichtigkeit der Abstimmung für die Energiewende

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Als einer der ersten schlug der damalige Berliner Wirtschaftssenator Harald Wolf (LINKE) Mitte 2010 vor, ein ökologisches Stadtwerk in der Hauptstadt zu gründen. Dieses solle, so seine Idee, mit kommunalen Partnern kooperieren. Zum aktuellen Volksentscheid sprach mit dem Sprecher der Linksfraktion für Energiepolitik im Abgeordnetenhaus Martin Kröger.

nd: Fast 230 000 Berlinerinnen und Berliner haben sich die Briefwahlunterlagen für den Volksentscheid zuschicken lassen. Haben Sie auch bereits abgestimmt?
Wolf: Nein, ich lasse mir das nicht nehmen, am Sonntag ins Abstimmungslokal zu gehen und den Zettel mit dem Ja zum Volksentscheid persönlich in die Urne zu werfen.

Neben der Stromkonzession geht es in dem Gesetzestext des Berliner Energietisches auch um die Gründung eines ökologischen Stadtwerks. Sie waren vor mehr als drei Jahren noch als Wirtschaftssenator derjenige, der diese Idee vorangetrieben hat. Sind Sie auch ein bisschen zufrieden, dass das inzwischen so populär ist?
Wir haben damals eine Diskussion angestoßen, die auch im außerparlamentarischen Raum gerade begonnen hatte. Was von vielen belächelt und als komische Idee betrachtet wurde, hat eine enorme Dynamik entwickelt. Und es gibt dafür inzwischen eine hohe gesellschaftliche Zustimmung – 63 Prozent der Berlinerinnen und Berliner wollen ein ökologisches Stadtwerk.

Wie sollte denn ein solches Stadtwerk konkret aussehen? Immerhin gibt es in Berlin keine Windparks und kaum Solarfelder.
Wir wollen ein Unternehmen, das in Kooperation mit kommunalen Unternehmen die Energiewende in der Stadt vorantreibt. Es soll Produktionskapazitäten für erneuerbare Energien aufbauen und Energiedienstleistungen anbieten. Und es soll vorhandene Kapazitäten nutzen. Das Müllheizkraftwerk der BSR produziert z.B. Energie, die gegenwärtig an Vattenfall verkauft wird. Wenn das Stadtwerk in eine eigene Turbine investiert, kann die BSR die bei der Müllverbrennung entstehende Energie an das Stadtwerk verkaufen statt an Vattenfall. Es geht also nicht darum, der BSR das Müllheizkraftwerk wegzunehmen, wie einige Mitarbeiter der BSR befürchten. Weitere Kooperationspartnerwären auch die Wasserbetriebe und die Stadtgüter, die erneuerbare Energie erzeugen. Wichtig ist auch die Zusammenarbeit mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften, mit denen gemeinsam dezentrale Lösungen wie z.B. Blockheizkraftwerke errichtet werden könnten. Im Übrigen sind deren Mieterinnen und Mieter potenzielle Kunden eines Stadtwerks.

Hat sich Rot-Schwarz mit seinen Plänen für ein Stadtwerk nicht auf den Weg in diese Richtung gemacht?
Bei der Koalition ist kein Konzept erkennbar. Und jetzt wurde kurz vor der Angst, kurz vor dem Volksentscheid, die Idee geboren, das Stadtwerk bei den Berliner Wasserbetrieben anzuhängen. Das wurde nach meiner Kenntnis noch nicht einmal mit dem Unternehmen besprochen. Außerdem ist völlig unklar, wie die Unternehmensstruktur der Wasserbetriebe in Zukunft aussehen wird. Das ist der klägliche Versuch von SPD und CDU, vor der Abstimmung noch irgendetwas zu präsentieren.

Wo liegt denn genau der Unterschied zu dem, was Sie vorschlagen?
Es gibt mehrere. So sagen wir und auch der Energietisch ganz klar: Das Stadtwerk muss auch die Möglichkeit haben, Strom dazu zukaufen. Ökologisch erzeugten Strom, der an die Berlinerinnen und Berliner verkauft werden kann. Am Anfang hat ein Stadtwerk naturgemäß nur relativ wenig eigene Produktionskapazitäten. Deswegen ist ein Handelsverbot, das die CDU in der Koalition durchgesetzt hat, eine richtige Stadtwerksbremse. Es wird lediglich eine Attrappe aufgebaut. Und dieses Stadtwerk soll fatalerweise auch noch von Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer geschaffen werden, die mehrfach erklärt hat, dass sie die Stadtwerksidee für Unsinn hält und die Energieversorgung weiterhin den Privaten überlassen will.

Gegner der Rekommunalisierung sagen auch, es gebe viele Anbieter für Strom, auch aus Erneuerbaren.
Dennoch könnte ein Stadtwerk günstigeren Strom anbieten als Vattenfall in seinem Grundversorgertarif. In den vergangenen Jahren ist der Strompreis an der Leipziger Börse gesunken. Doch die großen Energieversorger geben das nicht an die Haushaltskunden weiter. Ein Stadtwerk, das nicht auf maximalen Profit ausgerichtet ist, hat gewisse Spielräume. Außerdem kann ein solcher ernsthafter Wettbewerber zu Vattenfall auch Energieeinsparungen bei den Kunden befördern. Oder durch frühzeitige Kommunikation Stromsperren verhindern. Das wäre ein wichtiger sozialer Aspekt.

Für wie praktikabel halten Sie die demokratische Kontrolle, die der Energietisch im Gesetz vorschlägt?
Aus meiner Sicht ist es richtig und wichtig, einen neuen Typus öffentlichen Unternehmens zu entwickeln. Ein Stadtwerk unter öffentlicher Kontrolle mit umfassenden Transparenzregeln, das ist etwas Neues. Man sollte den Mut haben, das auszuprobieren. Es ist ja auch nicht so, dass der Senat oder das Parlament deshalb nicht an der Kontrolle des Unternehmens beteiligt wären – im Gegenteil.

Befürworter des Volksentscheids betonen immer wieder die Wichtigkeit der Abstimmung für die Energiewende. Die richtig bedeutsamen Weichenstellungen werden aber doch ganz woanders, etwa im Bund, getroffen.
Selbstverständlich sind die laufenden Koalitionsverhandlungen auf Bundesebene wichtig. Aber ein erfolgreicher Volksentscheid würde das Projekt Energiewende in Berlin auf jeden Fall voranbringen. Denn mit dem Volksentscheid ist die Abstimmung über einen konkreten Gesetzentwurf verbunden. Der verlangt die Bildung einer Anstalt öffentlichen Rechts, sowohl für die Übernahme des Stromnetzes als auch für das Stadtwerk. Daran muss sich auch der Senat halten. In jedem Fall würden die Bürgerinnen und Bürger Rot-Schwarz mit einem eindrucksvollen Votum ordentlich unter Druck setzen.

Sie kennen sich mit Druck aus. 2011 waren Sie mit Senat und Abgeordnetenhaus gegen den Volksentscheid Wasser – und verloren.
Wir haben damals das Ziel des Volksentscheids - die Offenlegung der Privatisierungsverträge - geteilt, den konkreten Gesetzestext des Wassertischs aber für verfassungsrechtlich angreifbar gehalten. Auf unsere Initiative hat das Abgeordnetenhaus dann das Berliner Informationsfreiheitsgesetz novelliert, mit dem eine rechtssichere Offenlegung der Verträge möglich wurde. Diese erfolgte dann auch auf der Grundlage dieses Gesetzes vor dem Volksentscheid. Es war aber ein Fehler zu glauben, mit der Offenlegung sei die wesentliche Forderung des Volksentscheids erfüllt. Es zeigte sich, dass über das konkrete Anliegen hinaus der Volksentscheid für die über 600.000 Berliner ein Mittel war, eine Rekommunalisierung der Wasserbetriebe zu fordern. Das von mir schon lange vor dem Volksentscheid angestoßene Kartellverfahren und der Volksentscheid haben dann eine Rekommunalisierung möglich gemacht. Ich würde mich deshalb freuen, wenn am Sonntag durch das Volk wieder so ein klarer, eindrucksvoller Auftrag erteilt würde.

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