Nach mehreren Konsultationsrunden steht nun fest: das vierte Sozialforum Europas findet vom 4. bis 7. Mai in Athen statt.
Das vierte Europäische Sozialforum (ESF) war ursprünglich für Anfang April geplant. Dann wurde das Datum für die Wahlen in Italien festgelegt. Die italienischen Linken wünschten daraufhin eine Terminverschiebung des Forums; immerhin ist die Abwahl von Regierungschef Berlusconi ein gesamteuropäisches Anliegen. Dem stimmten die meisten ESF-Aktivisten zu, auch im griechischen Vorbereitungskomitee. Nur wurde dann die obligate Frage der Basisdemokratie gestellt: Wer ist wie berechtigt, einen solchen Änderungsbeschluss zu fassen? Das könne nur eine ordentlich einberufene Europäische Vorbereitungsversammlung tun. Die fand nun am vergangenen Wochenende in Wien statt. Nach mehreren Konsultationsrunden wurde hier Konsens erzielt: Das Sozialforum findet vom 4. bis 7. Mai in Athen statt.
Die Formate wurden bei den bisherigen Foren in Florenz, Paris und London erprobt: viele Seminare und Workshops zu den unterschiedlichsten Themen der Globalisierungskritik und des Kampfes für Frieden, Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit. Doch sollen dieses Mal weniger Großveranstaltungen stattfinden, zumindest weniger große Plenarrunden, auf denen mehr oder weniger berühmte Leute aneinander vorbeireden oder zumindest nicht miteinander. Großveranstaltungen werden nun stärker als künstlerische Ereignisse gedacht oder als politische Bekundungen. Über ihre Themen und Gestaltung wurde aber noch kein Einvernehmen erzielt. Das soll in der nächsten Etappe der Vorbereitung geschehen.
Einerseits hoben viele in Wien hervor, dass Diskussionen über »nationale« Rednerquoten, die die Vorbereitungsdebatten der internationalen Programmgruppe für Paris und London oft so unerquicklich bis in die tiefe Nacht geprägt hatten, nicht wiederholt werden sollen. Von den griechischen Vorbereitungsnetzwerken werden hier kreative Ideen erwartet. Andererseits wurde nochmals betont, die letztlichen Entscheidungen dazu müssten auf europäischer Ebene fallen. Die Themen des Forums sollen in den europäischen Kontext passen und zugleich in die aktuellen politischen Auseinandersetzungen in Griechenland. Die Vielfalt der bereits angemeldeten Seminare und Workshops ist schon jetzt sehr groß, darunter solche zu Krieg und Frieden, zur Rolle Europas in der Globalisierung, über Migranten in Europa, Rassismus und Rechtsextremismus, zu sozialen Menschenrechten, über die Frage Gemeingüter und öffentliche Dienstleistungen, zum Thema Arbeitslosigkeit und Rechte der Arbeitenden oder über Umwelt, Landwirtschaft und Nahrungssicherheit. Bis zum 20. Februar besteht noch die Möglichkeit, Veranstaltungen anzumelden, wobei ähnliche Themen zusammengeführt werden sollen.
Ein Themenbereich wurde in Wien besonders herausgehoben: Wie soll es mit den sozialen Bewegungen weitergehen? Sozialforum etwa könne nicht nur heißen, freundlich zu reden, während andere die Welt durchgreifend in ihrem Sinne zu ändern trachten. Ein weiteres zentrales Diskussionsthema war die Verfasstheit Europas. In den Debatten wurde deutlich, dass die Äußerungen von Bundeskanzlerin Merkel zur EU-Verfassung sehr ernst genommen werden. Offenbar will die deutsche Regierung den Franzosen doch ein erneutes Plebiszit aufzwingen, um es »passend zu machen«. Die sozialen Bewegungen stellen dem das Projekt einer »Charta für ein anderes Europa« entgegen. Sie soll nicht geografisch begrenzt sein, sondern ein Gesamteuropa sozialer und politischer Werte umreißen, Prinzipien, auf denen ein Europa der Gerechtigkeit in einer Welt des Friedens errichtet werden soll. Eine internationale Konferenz hatte im November 2005 in Florenz erste Ergebnisse gebracht. Die so entstandenen Texte wurden in Wien erneut diskutiert. Sie sollen dann in Athen in größerem Rahmen debattiert und schließlich einer breiten europäischen Öffentlichkeit unterbreitet werden.
Die nächste Vorbereitungsversammlung für das vierte ESF wird vom 2. bis 5. März in Frankfurt am Main stattfinden. Freunde aus verschiedenen Ländern stellten in Wien auch die Frage, ob nicht das fünfte Europäische Sozialforum ebenfalls in Deutschland veranstaltet werden könnte. Die Rolle der dort Herrschenden in Europa einerseits und der nunmehrige Stand der Linken in der Bundesrepublik andererseits sprächen dafür. Dies ernsthaft zu prüfen, wurde den Teilnehmern aus Deutschland dringend angeraten.