«Konflikt zwischen Kapital und Arbeit»
Bewag-Personal will weiteren Abbau abwehren Von Karin Nölte
«Mit allen gebotenen Mitteln» wollen Betriebsrat und Gewerkschaften den geplanten drastischen Personalabbau beim Energieversorger Bewag abwehren, wur de gestern auf einer Pressekonferenz angekündigt. Der Unternehmensvorstand hatte am Vortag angekündigt, dass die jetzt 6400 Arbeitsplätze bis 2002/3 auf 3700 reduziert werden sollen. Doch diese Zahl müsse um weitere 500 Mitarbeiter nach unten korrigiert werden, weil der Vorstand zudem Aufgaben an Fremdflr men auslagern wolle, stellte Betriebsratsvorsitzender Hermann Strobel fest.
Die Arbeitnehmervertreter sind mehr fach empört. Den bisherigen, tausendfachen Personalabbau hatten sie, wenn auch «nicht immer schmerzfrei», einver nehmlich mit dem Vorstand vereinbart und «ordentlich organisiert». Und bis 2002 gilt eine Vereinbarung, die jetzt vom Vorstand gebrochen wird. Die legte als Ziel bis zu 4700 Vollzeitarbeitsplätze fest - 1500 mehr, als nun geplant. Damit kündige der Betriebsrat eine weitere «Begleitung» des Abbaus auf, sagte Strobel, man wollte gestern Abend «alle Maßnahmen, die wir zur Verfügung haben, erörtern». Zumindest habe der Vorstand Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Dabei verweigern die Arbeitnehmer nicht die Einsicht, dass erhebliche Umsatzeinbußen in Folge des liberalisierten Strommarkts Arbeitsplätze kosten. Doch die Vorstellungen des Vorstandes sind laut Strobel «nicht konsensfähig». Es sei ein «unzumutbarer Vorgang», dass allein die Arbeitnehmer die Folgen tragen sollen.
Für ÖTV-Vize-Landeschef Ernst-Otto Kock steuert die Bewag bei der Umverteilung der Wertschöpfung «auf den klassischen Konflikt zwischen Kapital und Ar beit hin». Während die Dividenden der Aktionäre um 140 auf 250 Millionen Mark erhöht und festgeschrieben wurden, sollte die Lohnsumme von 1,1 Milliarden im Geschäftsjahr 1997/98 auf 650 Millionen Mark für 4700 Beschäftigte sinken, weitere 200 Millionen Mark will das Unternehmen mit dem zusätzlichen Personalabbau einsparen. Auch das Land Berlin, das seinen 50-prozentigen Aktienanteil ver kaufte, gehört zu den Absahnern: 1992/93 hatte der Senat 34 Millionen Mark Konzessionsabgabe gefordert, in diesem Jahr sind es 220 Millionen, 2003 sollen es 287 Millionen sein.
Laut Kock müssten Aktionäre, Senat und Bewag-Mitarbeiter die Lasten zu gleichen Teilen schultern. Dass nur das Per sonal dran glauben soll, zeige das Desaster, in dem die Versprechungen gelandet seien, die mit der vom Senat als Erfolgsstory verkauften Privatisierung einher gingen. Aus der Verantwortung, 8500 Ar beitsplätze bis 2002 zu erhalten, habe sich der Senat herausgewunden.
Scharf kritisierte Kock auch die «totale Abkehr» des Vorstands von der Tarifvereinbarung, wonach Fremdarbeit in das Unternehmen zurückzuholen ist, wenn Personal vorhanden ist. Stattdessen wolle der Vorstand nun «Arbeit fremd einkaufen». Gegen diese «McDonaldisierung», den «Preis der Arbeit anzugreifen», werde man sich wehren.
Die letzte Kampfmaßnahme in der Bewag richtete sich im September 1997 im Heizkraftwerk Mitte gegen beabsichtigte betriebsbedingte Kündigungen.
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