»Berliner Chic«

Spaziergang durch Modeepochen im Ephraimpalais

  • Jack Rodriguez
  • Lesedauer: 2 Min.
Es begann mit Mantillen und Umhängen. Wegen ihres einfachen Schnittes wurden sie erstmals um 1830 unabhängig von ihrer künftigen Trägerin genäht. Daraus entstand mit der Entwicklung funktionsfähiger Nähmaschinen 1863 ein neuer Fabrikationszweig: Die Konfektionsindustrie. Berlin war um 1830 die Stadt, in der sich die fabrikmäßige Bekleidungsproduktion zuerst entwickelte und von dort über ganz Deutschland ausbreitete. So ist die Ausstellung des Stadtmuseums im Ephraimpalais »Berliner Chic« eine wichtige und notwendige Aufarbeitung der Geschichte der Mode. In den 20er und 30er-Jahren trugen Frauen figurbetonte lange Abendkleider von schlichter Eleganz, aber auch freche Charleston-Kleider für durchtanzte Nächte. Bühnenstars machten die Mode von der Spree in ganz Deutschland populär, und die Konfektionsindustrie mit Hauptsitz am Hausvogteiplatz musste sie massenhaft produzieren. 1932 sollen etwa 1880 Unternehmen der Herren- und Damenkonfektion in der Stadt ansässig gewesen sein. Die Hälfte davon war in jüdischem Besitz. 1939 dann der endgültige Niedergang als Modemetropole: Alle wichtigen Modehäuser waren »arisiert«. Ausstellungskuratorin Christine Waidenschlager entschied sich, den dieser Zeit gewidmeten Raum leer zu lassen, da sie das Leid der Menschen nicht »illustrieren oder dekorieren« möchte. Nach der Befreiung Berlins zeigten bereits 1946 die ersten Konfektionäre wieder Kollektionen. Kecke Strandkostüme aus hellen Stoffen mit kleinen dunklen Punkten standen aber noch im starken Gegensatz zu umgeschneiderten Uniformmänteln. Bald ging die Stadt getrennte Wege. Auch das wird gezeigt. Denn die Modesammlung des Stadtmuseums umfasst das Archiv des Modeinstituts der DDR. Die Prunkstücke der Sammlung, die auch ganzseitig im Ausstellungskatalog abgebildet sind, stammen jedoch noch aus den Schneiderateliers der vorindustriellen Produktion. Es sind üppig geraffte Biedermeierkleider, wie sie auf Gemälden zu sehen sind. Doch von nun an haben Modebegeisterte in Berlin ein eigenes Museum. »Die Modesammlung wird im Ephraimpalais ihren Dauerstandort haben«, sagt Stadtmuseums-Generaldirektor Reiner Güntzer. Bis Oktober 2002. Di.-So. 10-18 Uhr, Poststraße 16, Mitte. Tel.:24002121

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.