»Kurzum: Ich fühle mich gut«

Täve Schur wird heute 75 Jahre alt

ND: Wie fühlst Du Dich mit 75?
Täve: Hör mal, ich bin zu DDR-Zeiten im Sport bombig betreut worden, habe studieren können, habe begriffen, dass zu einem gesunden Menschen auch eine gesunde Lebensweise gehört und habe mich infolgedessen auch so verhalten und bewegt. Kurzum: Ich fühle mich gut.

Also wärst Du ohne den Sport nicht so alt geworden?
Das weiß ich nicht, aber ich finde, der Sport hat mich eine ganze Menge klüger gemacht. Ich betreibe ja bis heute noch Sport.

Wie oft sitzt Täve in der Woche auf dem Rennrad?
Ich fahre im Moment jedes Wochenende mit meinem Freund so an die 60, 70 Kilometer.

Und bist hinterher kaputt oder?
Doch, doch, ich bin schon angeschlagen. Das Wetter ist kalt, man hat nichts zu trinken mit. Das ist ein Fehler. Man sollte selbst bei einer 70-Kilometer-Tour unterwegs wenigstens einen halben Liter trinken.

Die Friedensfahrt machte einen Großteil Deines sportlichen Lebens aus. Woran erinnerst Du Dich heute besonders?
Die Friedensfahrt war eines der edelsten Rennen, die auf der Welt existierten. Schade, dass sie längst nicht mehr so läuft wie früher. Denn das war eine allumfassende, den Menschen, nämlich Aktive wie Zuschauer, prägende sportliche Veranstaltung.

Stellst Du Deine Siege dort über WM-Titel und olympische Medaillen?
Ich stelle sie in jedem Fall über meine WM-Titel. Und zwar wegen des besonderen völkerverbindenden Geistes der Friedensfahrt. Ich würde mir wünschen, dass es solche Wettkämpfe auch in Zukunft geben würde.

Hast Du noch Hoffnung auf eine neue Zukunft der Friedensfahrt, nachdem sie im Vorjahr ausfiel?
Bei allem, was ich in letzter Zeit so hörte und im ND las, darf man optimistisch sein. Zufälligerweise hat mich gestern jemand aus Thale angerufen, der dort Stadtrat ist. Er bot Thale als Friedensfahrtort an.

Ein Herzensanliegen von Dir ist das Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen. Wie läuft die Sache mit dem Spendenaufruf für den Museumsneubau?
Besser als gut. Bei mir liegt ein Kuvert mit Geld, das ich dem Museum demnächst übergeben werde. Auf das Konto des Friedensfahrt-Kuratoriums ist auch einiges überwiesen worden. Und inzwischen habe ich noch eine neue Idee.

Welche?
Bernd Barleben, ein ehemaliger Berliner Radrennfahrer und späterer Trainer, hat ein Bild von mir geschossen. Mit Baskenmütze, schwarzem Mantel und rotem Schal. Drüber steht »Mythos Täve«, unten ist ein silberner Lorbeerkranz mit einer 75. Das Foto habe ich auf der Vorderseite mit einem Autogramm von mir versehen. Auf der Rückseite habe ich einen Stempel draufgeknallt: »Es geht nicht um mich, es geht um uns! Danke für eine Spende zugunsten des Friedensfahrtmuseums Kleinmühlingen.«

Was wird mit dem Foto?
Ich habe 800 Exemplare davon anfertigen lassen, alles mitgesponsert von meinem Freund Barleben. Jeder, der spendet, bekommt eins.

Spielt Fan-Post heute noch eine Rolle für Täve?
Eine enorme sogar. Erst heute kam die Postfrau und hatte wieder beide Hände voll.

Nach der Radsportkarriere und der Tätigkeit im Magdeburger DTSB-Bezirksvorstand sowie 32 Jahre in der DDR-Volkskammer folgte 1998 eine politische Karriere als Bundestagsabgeordneter. Was brachte sie Dir?
Ich habe viele schöne Erinnerungen aus meinem Leben, aber die Zeit von 1998 bis 2002 gehört nicht so recht dazu. Sie war für mich ohne wirkliche Erfolgserlebnisse. Ich hatte mir beispielsweise eingebildet, im Bundestag etwas für den Schulsport bewegen zu können. Doch in diesem Sportausschuss war einfach nichts zu erreichen. Alles wurde immer wieder zerredet. Ernüchternd. Ich hätte nie geglaubt, dass in einem so reichen Land die Verpflichtung des Staates, wenigstens etwas mehr für einen gesunden und gebildeten Nachwuchs zu tun, so ignoriert wird. Auch das ganze bundesdeutsche Sportfördersystem ist nur Flickwerk. Da sollten wir uns von den Olympia-Erfolgen dieser Tage, die ich durchaus nicht klein reden will, nicht täuschen lassen.

War mit dem gescheiterten Wiedereinzug der PDS 2002 in den Bundestag auch Deine Politikerlaufbahn beendet?
Aber nein, ich bin beispielsweise Vorsitzender der Basisorganisation in Heyrothsberge. Überall, wo ich auftrete, ob bei Buchlesungen oder anderswo, bin ich als Sportler und Politiker in Aktion. Ich weiß doch, wie es um die Dinge bestellt ist und kann gestern und heute vergleichen.

Wie stark wird Täve von seinen Enkelkindern auf Trab gehalten?
Die halten mich ganz schön auf Trab. Nur ist es sehr schade, dass vier in Berlin und zwei in Leipzig ein bisschen fernab wohnen. Aber ich nutze jede Gelegenheit, um bei ihnen zu sein. Allerdings stecken wir gerade familiär in einer schwierigen Phase, weil mein Schwiegersohn vor einem Vierteljahr totgefahren wurde. Vor allem deshalb sind meine Frau und ich derzeit öfter in Berlin.

Wo wird am Donnerstag Dein 75. gefeiert?
Ich hatte mich auf eine kleine Feier bei mir in der Kommune im Hotel »Zwei Eichen« in Heyrothsberge von 12 bis 16 Uhr eingerichtet und so an 30 Leute gedacht. Inzwischen habe ich aber gehört, dass sehr, sehr viel mehr kommen werden. Wer auch immer kommt - meine Bitte: Keine Blumen, keine Geschenke. Ich möchte vielmehr, dass für das Friedensfahrtmuseum gespendet wird. Deswegen wird eine Miniausgabe des Museums aufgestellt mit einem Schlitz im Dach. Auf die Spender warten auch die besagten Fotos.

Wenn es nach Täves Spielregeln geht, steigst Du am Sonntag wieder aufs Rad?
Dazu werde ich diesmal nicht kommen, denn am Sonnabend bereiten in Leipzig ein paar Leute von der PDS eine Überraschung für mich vor. Ich weiß zur Stunde nicht mal, wo das sein wird. Aber das bekomme ich sicherlich noch mitgeteilt.

Gespräch: Jürgen Holz

Gustav-Adolf Schur
geboren am 23. Februar 1931 in Heyrothsberge, verheiratet, vier Kinder; Maschinenmechaniker, Diplom-Sportlehrer, Trainer; acht Mal DDR-Straßen-Einzelmeister, bei 12 Friedensfahrtstarts zwei Mal Gesamtsieger (1955, 1959), neun Etappensiege; 1958 und 1959 Straßen-Weltmeister; bei Olympia 1956 Dritter (Mannschaft) und Fünfter (Einzel), 1960 Zweiter (Mannschaft); neun Mal in Folge »DDR-Sportler des Jahres«, Karriereende 1964; bis 1990 Vizevorsitzender des DTSB-Bezirksvorstandes Magdeburg, seit 1990 Ehrenpräsident des LSB Sachsen-Anhalt; von 1958 bis 1990 Mitglied der Volkskammer der DDR; von 1998 bis 2002 Bundestags-Abgeordneter und sportpolitischer Sprecher der PDS-Fraktion.ND: Wie fühlst Du Dich mit 75?
Täve: Hör mal, ich bin zu DDR-Zeiten im Sport bombig betreut worden, habe studieren können, habe begriffen, dass zu einem gesunden Menschen auch eine gesunde Lebensweise gehört und habe mich infolgedessen auch so verhalten und bewegt. Kurzum: Ich fühle mich gut.

Also wärst Du ohne den Sport nicht so alt geworden?
Das weiß ich nicht, aber ich finde, der Sport hat mich eine ganze Menge klüger gemacht. Ich betreibe ja bis heute noch Sport.

Wie oft sitzt Täve in der Woche auf dem Rennrad?
Ich fahre im Moment jedes Wochenende mit meinem Freund so an die 60, 70 Kilometer.

Und bist hinterher kaputt oder?
Doch, doch, ich bin schon angeschlagen. Das Wetter ist kalt, man hat nichts zu trinken mit. Das ist ein Fehler. Man sollte selbst bei einer 70-Kilometer-Tour unterwegs wenigstens einen halben Liter trinken.

Die Friedensfahrt machte einen Großteil Deines sportlichen Lebens aus. Woran erinnerst Du Dich heute besonders?
Die Friedensfahrt war eines der edelsten Rennen, die auf der Welt existierten. Schade, dass sie längst nicht mehr so läuft wie früher. Denn das war eine allumfassende, den Menschen, nämlich Aktive wie Zuschauer, prägende sportliche Veranstaltung.

Stellst Du Deine Siege dort über WM-Titel und olympische Medaillen?
Ich stelle sie in jedem Fall über meine WM-Titel. Und zwar wegen des besonderen völkerverbindenden Geistes der Friedensfahrt. Ich würde mir wünschen, dass es solche Wettkämpfe auch in Zukunft geben würde.

Hast Du noch Hoffnung auf eine neue Zukunft der Friedensfahrt, nachdem sie im Vorjahr ausfiel?
Bei allem, was ich in letzter Zeit so hörte und im ND las, darf man optimistisch sein. Zufälligerweise hat mich gestern jemand aus Thale angerufen, der dort Stadtrat ist. Er bot Thale als Friedensfahrtort an.

Ein Herzensanliegen von Dir ist das Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen. Wie läuft die Sache mit dem Spendenaufruf für den Museumsneubau?
Besser als gut. Bei mir liegt ein Kuvert mit Geld, das ich dem Museum demnächst übergeben werde. Auf das Konto des Friedensfahrt-Kuratoriums ist auch einiges überwiesen worden. Und inzwischen habe ich noch eine neue Idee.

Welche?
Bernd Barleben, ein ehemaliger Berliner Radrennfahrer und späterer Trainer, hat ein Bild von mir geschossen. Mit Baskenmütze, schwarzem Mantel und rotem Schal. Drüber steht »Mythos Täve«, unten ist ein silberner Lorbeerkranz mit einer 75. Das Foto habe ich auf der Vorderseite mit einem Autogramm von mir versehen. Auf der Rückseite habe ich einen Stempel draufgeknallt: »Es geht nicht um mich, es geht um uns! Danke für eine Spende zugunsten des Friedensfahrtmuseums Kleinmühlingen.«

Was wird mit dem Foto?
Ich habe 800 Exemplare davon anfertigen lassen, alles mitgesponsert von meinem Freund Barleben. Jeder, der spendet, bekommt eins.

Spielt Fan-Post heute noch eine Rolle für Täve?
Eine enorme sogar. Erst heute kam die Postfrau und hatte wieder beide Hände voll.

Nach der Radsportkarriere und der Tätigkeit im Magdeburger DTSB-Bezirksvorstand sowie 32 Jahre in der DDR-Volkskammer folgte 1998 eine politische Karriere als Bundestagsabgeordneter. Was brachte sie Dir?
Ich habe viele schöne Erinnerungen aus meinem Leben, aber die Zeit von 1998 bis 2002 gehört nicht so recht dazu. Sie war für mich ohne wirkliche Erfolgserlebnisse. Ich hatte mir beispielsweise eingebildet, im Bundestag etwas für den Schulsport bewegen zu können. Doch in diesem Sportausschuss war einfach nichts zu erreichen. Alles wurde immer wieder zerredet. Ernüchternd. Ich hätte nie geglaubt, dass in einem so reichen Land die Verpflichtung des Staates, wenigstens etwas mehr für einen gesunden und gebildeten Nachwuchs zu tun, so ignoriert wird. Auch das ganze bundesdeutsche Sportfördersystem ist nur Flickwerk. Da sollten wir uns von den Olympia-Erfolgen dieser Tage, die ich durchaus nicht klein reden will, nicht täuschen lassen.

War mit dem gescheiterten Wiedereinzug der PDS 2002 in den Bundestag auch Deine Politikerlaufbahn beendet?
Aber nein, ich bin beispielsweise Vorsitzender der Basisorganisation in Heyrothsberge. Überall, wo ich auftrete, ob bei Buchlesungen oder anderswo, bin ich als Sportler und Politiker in Aktion. Ich weiß doch, wie es um die Dinge bestellt ist und kann gestern und heute vergleichen.

Wie stark wird Täve von seinen Enkelkindern auf Trab gehalten?
Die halten mich ganz schön auf Trab. Nur ist es sehr schade, dass vier in Berlin und zwei in Leipzig ein bisschen fernab wohnen. Aber ich nutze jede Gelegenheit, um bei ihnen zu sein. Allerdings stecken wir gerade familiär in einer schwierigen Phase, weil mein Schwiegersohn vor einem Vierteljahr totgefahren wurde. Vor allem deshalb sind meine Frau und ich derzeit öfter in Berlin.

Wo wird am Donnerstag Dein 75. gefeiert?
Ich hatte mich auf eine kleine Feier bei mir in der Kommune im Hotel »Zwei Eichen« in Heyrothsberge von 12 bis 16 Uhr eingerichtet und so an 30 Leute gedacht. Inzwischen habe ich aber gehört, dass sehr, sehr viel mehr kommen werden. Wer auch immer kommt - meine Bitte: Keine Blumen, keine Geschenke. Ich möchte vielmehr, dass für das Friedensfahrtmuseum gespendet wird. Deswegen wird eine Miniausgabe des Museums aufgestellt mit einem Schlitz im Dach. Auf die Spender warten auch die besagten Fotos.

Wenn es nach Täves Spielregeln geht, steigst Du am Sonntag wieder aufs Rad?
Dazu werde ich diesmal nicht kommen, denn am Sonnabend bereiten in Leipzig ein paar Leute von der PDS eine Überraschung für mich vor. Ich weiß zur Stunde nicht mal, wo das sein wird. Aber das bekomme ich sicherlich noch mitgeteilt.

Gespräch: Jürgen Holz

Gustav-Adolf Schur
geboren am 23. Februar 1931 in Heyrothsberge, verheiratet, vier Kinder; Maschinenmechaniker, Diplom-Sportlehrer, Trainer; acht Mal DDR-Straßen-Einzelmeister, bei 12 Friedensfahrtstarts zwei Mal Gesamtsieger (1955, 1959), neun Etappensiege; 1958 und 1959 Straßen-Weltmeister; bei Olympia 1956 Dritter (Mannschaft) und Fünfter (Einzel), 1960 Zweiter (Mannschaft); neun Mal in Folge »DDR-Sportler des Jahres«, Karriereende 1964; bis 1990 Vizevorsitzender des DTSB-Bezirksvorstandes Magdeburg, seit 1990 Ehrenpräsident des LSB Sachsen-Anhalt; von 1958 bis 1990 Mitglied der Volkskammer der DDR; von 1998 bis 2002 Bundestags-Abgeordneter und sportpolitischer Sprecher der PDS-Fraktion.

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