Ja- und Neinsager

Brecht-Kompositionen zum Weill-Fest

  • Stefan Amzoll
  • Lesedauer: ca. 2.5 Min.
Eigentlich müssten »Der Jasager« von Kurt Weill (Foto: Artefakt) und »Der Neinsager« von Reiner Bredemeyer an jeder Schule einer größeren Stadt gespielt werden. Die Stücke sind lehrhaft im besten Sinne und sie aufzuführen macht Riesenspaß. Das merkte man im prallgefüllten Dessauer Liborius-Gymnasium bei der Premiere, und der Funke sprang über. Stehende Ovationen. Einem Aufgebot von hoch engagierten Laien, Musikschülern, Lehrern, Mädchen, Jungen, wenigen Profimusikern, gelang eine fantastische Aufführung (Dirigent: Friedemann Neef). Ort ist eine Turnhalle, hell, reichlich Platz für Bühne und Publikum, eine moderne Architektur im Bauhausstil. Dem Ereignis gemäß die Kargheit des Bühnenbildes von Michael Milerski. Zu ebener Erde im Vordergrund das Orchester, hölzerne Aufbauten dienen als Spielfläche. Sänger und Solisten, dunkel gefärbt ihre Lippen, tragen frei nach Brecht graue Arbeitskleidung. Regisseurin Silke Wallstein wählte für die beiden Stückvarianten konkurrierende Besetzungen. Möglichst viele Schüler sollten mitmachen. Zu erleben waren in Dessau zwei wirklich unterschiedlich inszenierte Versionen. Die eine, Weillsche, geriet eher oratorisch, die andere, Bredemeyersche, ist in den spielerischen Aktionen ungleich lebendiger. Was sagt das Drama des Jasagers? Ein Junge, Teilnehmer einer Schulexpedition zu den großen Lehrern hinterm Gebirge, soll Medizin für seine kranke Mutter mitbringen. Aber der Kleine macht schlapp und wird krank. Einem Brauch zufolge soll er, um die Expedition nicht aufzuhalten, ins Tal geworfen werden mit dem Versprechen, er sei gleich tot, wenn er unten ist. Nach demselben blutigen Brauch muss er sein Einverständnis zu seiner Tötung geben. Nun, mit dem Ja, das der Junge gibt, fängt die Rebellion, der eigentliche Lehreffekt, an. Wie anders, als dass im Ja schon das Nein mitläuft. Im »Jasager« verbirgt sich schon Brechts »Maßnahme«, worin der Junge Genosse, weil er im Klassenkampf versagt und die revolutionäre Gruppe in irreparable Bedrängnis gebracht hat, schließlich in die Kalkgrube geworfen und ausgelöscht wird. Der Witz zwischen den komponierten Lehrstückmodellen liegt im Unterschied zwischen »Einverständnis« und »Ein Verständnis«. Die Differenz ist himmelweit. Und so sind die Modelle auch inszeniert worden. Von einer fähigen Regisseurin. Was der Abend für die Leute erbrachte? Vielleicht dies: Dumm und schlecht ist es, einverstanden zu sein. Wenn es im Kinde rumort, kommt das Nein. Stopft man ihm den Mund, kommt es auch, innen. Das Nein ist der Vater des Zweifels. Das in sich ruhende, runde, harmonische, zweifelsfreie Geschöpf ist das eigentliche Hemmnis. Dahin wird es täglich gedrechselt. Man muss also täglich auf der Hut sein und erkennen und sich wehren. Eine zweite Stückpaarung war zu erleben, nicht an einem Abend, wohl aber im Abstand von einem Tag: Brecht/Weills Oper »Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny« in der Inszenierung von Helmut Polixa, die leider allzu bunt und steif geriet, und Brecht/Weills selten aufgeführtes »Mahagonny-Songspiel« mit dem hervorragenden Ensemble MusikFabrik, von dem man sich wünsc...

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