Kurgäste nach Gutsherrenart
»Außerordentlich ungewöhnlich«: Wirtschaftskrimi um Sachsens Rentenversicherungsträger
Die frühere Landesversicherungsanstalt (LVA) Sachsen ist ins Zwielicht geraten. Korruptionsfahnder prüfen die Umstände, unter denen Kliniken mit Patienten versorgt wurden. Schon wird Kritik an der Selbstkontrolle laut.
Das Papier ist nur 21 Seiten dick, taugt aber für einen ausgewachsenen Krimi. »Projektdokumentation Teil I« heißt eine Ausarbeitung, in der die Wirtschaftsberatung Ostermann & Partner im Juli 1997 den Umgang der LVA Sachsen mit einer 1995 in Brandis bei Leipzig errichteten Reha-Klinik nachzeichnet. Die Geschichte des 220-Betten-Hauses, dessen erste Betreiberin 1996 wegen Steuerhinterziehung verhaftet wurde, ist kompliziert; ein roter Faden aber zieht sich durch die Analyse: Lebensader der Klinik waren Belegungszusagen durch die LVA. Die wurden nach Gutdünken erteilt oder entzogen - und »als Druckmittel für die Umsetzung privater kommerzieller Interessen missbraucht«. Die Studie zu Brandis, in der von »offenkundigen Unstimmigkeiten« im Geschäftsgebaren der LVA die Rede ist und der Verdacht »strafrechtlich relevanter Tatbestände« genährt wird, ist eines von vielen Dokumenten, die führende Mitarbeiter des Rentenversicherungsträgers unter Druck setzen. Dieser war schon vor der Fusion mit Einrichtungen aus Thüringen und Sachsen-Anhalt im Oktober 2005 eine mächtige Institution. Seither ist mit der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland (DRV) ein Gigant mit einem Etat von 17,59 Milliarden Euro sowie 2,4 Millionen Versicherten und 4800 Mitarbeitern entstanden. Die DRV zahlt 1,6 Millionen Renten aus - und weist Kurpatienten in Kliniken ein. In diesem lukrativen Geschäft gibt es jetzt massive Vorwürfe gegen Manager, etwa den 2001 ausgeschiedenen früheren LVA-Chef Heinz Löffler. Nach Gutsherrenart soll dieser Belegungsrechte für ungewöhnlich lange Zeiträume von 15 Jahren erteilt und in anderen Fällen entzogen haben. Belegt ist etwa der Fall »Bärenhof« im österreichischen Bad Gastein, wo ein Streit um Personalfragen zur Aufkündigung von Patientenzuweisungen führte - ein Umstand, der zudem umgehend der Hausbank der Eigentümerin mitgeteilt wurde. Diese musste daraufhin Insolvenz anmelden. Nicht nur die Chefin des »Bärenhofs« bekam die Macht der LVA-Manager zu spüren. Wohl weil ihr der neue Betreiber der Kinderkurklinik Glossen nicht genehm war, stoppte die Anstalt im Januar 2000 die Belegung des Hauses in Ostsachsen - und brachte damit die geplante Entschuldung der Gemeinde Kittlitz ins Wanken, die dieses einst errichtet hatte und mit dem Verkaufserlös saniert werden sollte. Das LVA-Verhalten nannte der damalige Finanzminister Georg Milbradt »außerordentlich ungewöhnlich« und »untersuchungsbedürftig«. Untersucht wurden die Geschäftspraktiken der LVA immer wieder; die Prüfer wurden regelmäßig auch fündig. Die »Frankfurter Rundschau« berichtet von 32 Kontrollen des Bundesrechnungshofes - alle monierten Defizite. Erst im Oktober 2005 wurden Mängel bei der Korruptionsprävention festgestellt. In Sachsen wie Sachsen-Anhalt wurden Manager der Untreue verdächtigt und teils verurteilt. Trotzdem beobachtet die »Leipziger Volkszeitung« weiter »rechtswidrige Patientenströme, dubiose LVA-Kredite oder die Begünstigung einzelner Betreiber« - letzteres wohl oft aus persönlichen Gründen wie im Fall der Klinik Brandis, deren Chefarzt eng mit Ex-LVA-Chef Löffler verbandelt ist. Gefragt wird jetzt, ob das System grundlegende Mängel aufweist und die Kontrollen durch die paritätisch aus Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern besetzten Aufsichtsgremien ausreichten. So sieht die konservative FAZ einen »selbstverwalteten Sumpf«. So weit will André Hahn, parlamentarischer Geschäftsführer der Linksfraktion, nicht gehen: Selbstverwaltung sei »etwas Vernünftiges«, sagt er. Gleichwohl »muss die Kontrolle funktionieren«. Geprüft werden müsse auch ein »Versagen der Rechtsaufsicht«, die dem Sozialministerium obliegt. Die Linke wie die Fraktionen der Koalition von CDU und SPD haben nun umfangreiche Fragenkataloge erarbeitet und bringen das Thema am Mittwoch in den Landtag. Missstände seien umgehend zu beheben, sagt Hahn: Es gehe um nicht weniger...Zum Weiterlesen gibt es folgende Möglichkeiten:
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