Euphorie und Enttäuschung
DER DEUTSCHE OKTOBER
Stand 1923, während der Ruhrkrise und der dadurch ausgelösten Super-Inflation, die KPD kurz vor der Machteroberung? Scheiterte Deutschlands »Oktoberrevolution« nur am Versagen der »opportunistischen« Parteiführung um Heinrich Brandler und August Thalheimer, wie es in der DDR hieß? Und war dieser Aufstandsversuch von Moskau angezettelt, wie die westliche Geschichtsschreibung postulierte? Vor drei Jahren erschien ein Sammelband mit Dokumenten aus dem Moskauer Komintern-Archiv, der vor allem die Diskussionen in der bolschewistischen Parteiführung reflektierte und die Akteure in Deutschland eher als Objekte denn handelnde Subjekte erschienen ließ. Nun legt Harald Jentsch eine Studie über die KPD selbst vor.
Detailliert wird beschrieben, wie im Sommer 1923 das Tempo der politischen Mobilisierung rapide zunahm. Die KPD sprach nun offen von einem heranrückenden »Endkampf«. Doch dem Kreml schritt die deutsche Partei nicht schnell genug voran. Im August/September 1923 wurde sie gedrängt, statt erst in einem halben Jahr in spätestens zwei Monaten die Entscheidung zu suchen. Die bestehenden Koalitionsregierungen mit der (linkseingestellten) Sozialdemokratie in Sachsen und Thüringen sollten Ausgangspunkt für die Machteroberung werden. Doch im entscheidenden Augenblick, Ende Oktober, schickte die Reichsregierung Truppen gegen diese »Arbeiterregierungen«. Nach der Weigerung der Sozialdemokraten, zum Generalstreik aufzurufen, verzichtete auch die KPD-Führung darauf. Nur in Hamburg kam es zu einem kurzen Kampf. Der Euphorie folgte schnell Enttäuschung.
War eine einzigartige Situation verpasst worden? In der Parteibasis setzte sich diese Deutung schnell durch. Die alte KPD-Führung wurde abgesetzt, ihr alle Verantwortung aufgebürdet. Die »Oktoberlegende« war geboren.
Akribisch rekonstruiert Jentsch die Auseinandersetzungen in der Partei zwischen Sommer 1923 und Sommer 1924. Er betont, dass der Weg zum Aufstand der KPD keineswegs von außen aufgezwungen werden musste, verweist auf eine gewisse Eigenständigkeit, ohne den Blick auf die Moskauer Ebene zu vernachlässigen. Eine »revolutionäre Krise« habe es jedoch trotz breiter Verelendung nicht gegeben.
Eine solide und spannende Darstellung, die zu Recht den Wissenschaftspreis d...
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