Trommeln für die Palast-Rettung
Initiativen mahnten für den Erhalt und erhielten Post von Frau Lengsfeld
Von Bernd Kammer
Horst Sachse hatte seinen alten Bauar beiterhelm mit den Buchstaben IHB her vorgekramt und noch einmal aufgesetzt. »IHB war die Abkürzung für Ingenieur hochbau, des Betriebes, der Hauptauftragnehmer für den Palast der Republik war«, erklärte er gestern Passanten vor selbigem Gebäude. Denn Sachse hatte sich der Mahnwache von Bürgerinitiativen angeschlossen, die den ganzen Tag vor dem Bauzaun, hinter dem die Asbestsanierung des Hauses in vollem Gange ist, an die Schließung des Palastes vor genau zehn Jahren und das unendliche Nachspiel erinnerte. »Das ist unser Werk, das lassen wir uns nicht einfach kaputt machen.« Horst Sachse hat doppelten Grund, das zu fordern.
Abgeordnete aller Fraktionen des Bundestages wie des Berliner Parlaments hatten die Palaststreiter zur Diskussion auf den Schloßplatz geladen, nicht ganz unerwartet erschienen nur PDS-Parlamentarier. Immerhin war die CDU-Abgeordnete Vera Lengsfeld so höflich, wenigstens brieflich ihre Ansichten zum Palast mitzuteilen. Und die liegen, auch nicht unerwartet, ziemlich weit entfernt von denen der Adressaten. Der Palast gehört auch abgerissen, wenn er nicht asbestver seucht wäre, ließ sie wissen, »denn er steht für die menschenverachtende Politik des Honeckerregimes«. Anziehungskraft für die »Bevölkerung« der DDR habe er auch nicht besessen, vielmehr blieb die immer außen vor, wenn es Funktionärsfeten im Palast gab. Dessen Restaurants waren viel zu teuer und meist halbleer.
Bis dahin konnte Karli Krauß vom Sprecherrat der ehemaligen Palastmitarbeiter darüber nur verwundert den Kopf schütteln, dann kam s aber noch schlimmer: »Im Foyer konnte man sich nur kurz aufhalten - es fehlten Sitzgelegenheiten und alles, was zu einem Treffpunkt für Menschen gehört«, teilte Frau Lengsfeld mit. »Ja hat sie denn die berühmten Sitzgruppen übersehen, nur weil sie rot waren?«, prustete Krauß los.
Zur Untermalung beschallten die Palastfreunde den Platz mit Schlagern von Karel Gott und anderen Stars, die einst bei diesen »Funktionärsfeten« auftraten. An Passanten wie Asbestsanierer, die über den Bauzaun lugten, wurden »10 Fragen und 10 Forderungen zum Palast« übergeben, und zu allem schlug Mathias Mohr bedeutungsvoll die Pauke. Der junge Mann war extra aus Fulda zu den Palastrettern gestoßen und hat ihnen schon die Welt des Internets erobert. Er möchte den Palast zu einem Bürgerparlament machen, zu einem Ort der Kommunikation. So ähnlich sieht das auch Freke Over, der nicht wie in früheren Jahren das Palastdach enterte, sondern mit den Vorstellungen der PDS auf dem Boden blieb: Kein Abriss, sondern weiterentwickeln zu einem Bürgerforum mit dem Haus der Kulturen der Welt als zentraler Einrichtung.
Personenschützer, die restlichen für die Bewachung von diplomatischen Vertretungen - tauchen nirgends auf.
Kraftstoffe und Heizmittel wurden nach Preisen berechnet, die es seit längerem nicht mehr gibt. Ab nächstem Jahr müssen phasenweise bis zu neun bundesweite Euro-Transporte pro Tag von jeweils mindestens zehn Polizisten begleitet werden, die dann anderswo fehlen. Andererseits werden aus dem hauptstädtischen Polizeihaushalt zwei gepanzerte Limousinen für insgesamt eine Million Mark finanziert, die man nicht brauche, wenn nicht in Regierungsmission. Bei Feuerwehr und Landeseinwohneramt komme es zu ähnlichen weiteren Fehlentwicklungen.
Die GdP hat Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) über die geplante Miss-Ver wendung der 75 Zusatz-Millionen infor miert. In Kürze werde es mit ihm einen detaillierten Gedankenaustausch zu diesem Thema geben, sagte Schönberg.
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