Ab Ostern kommt wieder Leben auf den Hirschhof. Der Zugang zu dem 2300 Quadratmeter großen Hofgarten im Karree Oderberger Straße/Kastanienallee in Prenzlauer Berg war seit Oktober 2004 gesperrt. Vergangene Woche hat das Bezirksamt mit einem Mauerdurchbruch vom Nachbargrundstück Oderberger Straße 19 einen neuen Eingang gelegt.
Damit ging eine 15 Jahre währende Auseinandersetzung zu Ende. »Wir haben viele Probleme auf einmal lösen können«, so Bezirksstadtrat Matthias Köhne (SPD). In der Perspektive solle das Grundstück, das sich derzeit im Liegenschaftsfonds befindet, dem Bezirksamt übertragen und ein Teil später dem Hirschhof zugeschlagen werden, erläuterte Köhne. Mit dem öffentlichen Zugang sei die Voraussetzung gegeben, dass der Hofgarten in die Hand des Bezirksamtes gelangt. »Wir sind guter Dinge, dass wir den Hirschhof nach dem Verkehrswegebereinigungsgesetz kaufen können«, sagte der Stadtrat.
Auf und um den Hirschhof gab es immer schon viel Wirbel. Entstanden war die Hinterhof-Idylle Mitte der Achtziger, als eine findige Anwohnerinitiative, die sich gegen den Abriss ihrer unmittelbar an der Mauer gelegenen Wohnhäuser zur Wehr setzte, mehrere Hinterhöfe zusammengelegt und gestaltet hatte. Die Künstler und Lebenskünstler fanden Verbündete im Wohnbezirksausschuss, der wiederum den Rat des Stadtbezirkes dazu brachte, eine Million DDR-Mark beizusteuern. Unter den misstrauischen Augen der Staatssicherheit feierte man auf der riesigen Hinterhoffläche so manches rauschende Fest, zeigte seltene Filme, spielte Theater - sogar Reste des Stadtschlosses sollen eifrige Hobby-Archäologen aus einer Berliner Deponie ausgebuddelt und hier platziert haben. Seinen Namen hat der Hofgarten übrigens von einer Skulptur, die von den Künstlern Hans Scheib, Anatol Erdmann und Stefan Reichmann aus Schrott geschweißt als Wahrzeichen im Hirschhof thront. Nach der Wende kämpfte die Initiative, die sich nun WBA, »Wir bleiben alle«, nannte, gegen die Vertreibung der Bewohner durch Umwandlungen in teure Eigentumswohnungen und exorbitante Mietsteigerungen.
Doch auch wenn 1992 unter diesem Slogan 20 000 Menschen gegen die Mieterhöhungen im Ostteil auf die Straße gingen - die Marktwirtschaft machte sich immer mehr im Kiez breit und erwischte schließlich auch den Hirschhof. Nach einer Modernisierung verweigerte die Besitzerin der Oderberger Straße 15 den bislang geduldeten Zugang zum Gelände - alle Überredungsversuche des Bezirksamtes fruchteten nichts. Den zweiten Zutritt über die Kastanienallee 12 - eine schmale Tür im dritten Hinterhof - machte das Bezirksamt aus Sicherheitsgründen dicht. Und so verwaiste der vom Bezirk vor einigen Jahren mit 50 000 Euro sanierte Garten.
Andererseits: Die Zeiten, als der Hirschhof, versteckt hinter drei Hinterhöfen, ein Geheimtipp war, dürften mit dem öffentlichen Zugang vorbei sein. »Man muss eher aufpassen, dass der Zulauf nicht zu stark wird«, sagte Köhne.
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