Neue Spekulationen zu »Estonia«-Untergang

Zusammenhang mit Militärtransporten?

  • Bernd Parusel, Stockholm
  • Lesedauer: ca. 2.0 Min.

Nach fast zwölf Jahren wirft der »Estonia«-Untergang immer noch Fragen auf. Ein schwedischer Abgeordneter vermutet einen Zusammenhang mit geheimen Militärtransporten.

Der Untergang der Ostseefähre »Estonia« in der Nacht des 28. September 1994 gilt als schlimmstes Schiffsunglück in Europa zu Friedenszeiten. 852 Personen an Bord des Schiffes, das in schwerem Wetter von Tallinn nach Stockholm unterwegs war, starben, darunter rund 500 Schweden. Nur 137 überlebten. An den offiziellen Erklärungen zu den Ursachen der Katastrophe gibt es jedoch immer wieder Zweifel. Jetzt war es der Vize-Generalstaatsanwalt Estlands, Margus Kurm, der alternativen Theorien neue Nahrung ab. Früheren Untersuchungen zufolge soll sich in stürmischem Wetter die Bugklappe der Fähre gelöst haben, worauf Wasser ins Innere des Schiffs eindrang, das dann innerhalb einer halben Stunde sank. Laut einem Zwischenbericht der von Kurm geleiteten Untersuchung könnte aber auch ein durch eine Explosion entstandenes Leck für den Untergang verantwortlich sein. Dafür spricht, dass Zeugen sagten, die Bugklappe sei noch an ihrem Platz gewesen, als die Fähre sank. Andere wollen kräftige Erschütterungen gespürt haben. »So- lange eine Reihe von Fragen unbeantwortet bleibt, können wir alternative Erklärungen nicht ausschließen«, so Kurm, der bei seinen Ermittlungen auf zahlreiche Hindernisse gestoßen war. Auch früher für abwegig gehaltene Theorien werden nun wieder diskutiert, vor allem die, das zivile Fährschiff sei mehrfach zum Transport geheimer militärischer Ausrüstung aus dem russischen Raum genutzt worden, womöglich auch in der Nacht des Unglücks. »Im schlimmsten Fall gibt es einen Zusammenhang zwischen der militärischen Fracht und der Unglücksursache«, meint etwa Lars Ångström, Reichstagsabgeordneter der schwedischen Grünen. Als Reaktion auf die Kritik des estnischen Anklägers an früheren Untersuchungen verlangt Ångström die Einsetzung einer neuen, regierungsunabhängigen Kommission. Außerdem bereitet er eine Klage gegen das schwedische Militär »Försvarsmakten« vor. Was den Abgeordneten argwöhnisch werden ließ, ist vor allem, dass die Bugklappe angeblich erst drei Wochen nach dem Unglück gefunden wurde, während aus dem estnischen Untersuchungsbericht hervorgeht, dass ein schwedisches Militär-Spezialschiff bereits kurz nach dem Unglück an einer Untersuchung des Wracks beteiligt war. Angeblich soll dabei das Lastdeck der Fähre durchsucht worden sein. Was dabei herausgefunden wurde, ist nicht bekannt. Zudem habe sich der Leiter der schwedischen Tauchoperation geweigert, mit Margus Kurm zu sprechen. Ångström sieht darin ein Indiz dafür, dass das schwedische Militär Informationen unter Verschluss hält. »Merkwürdig« findet er auch, dass die Regierung in Stockholm das Wrack in einem Betonsarkophag einschließen wollte. Dies hätte weitere Nachforschungen für immer verhindert. Um das Rätselraten zu beenden, will sich der Verkehrsausschuss des schwedischen Reichstags erneut mit der Katastrophe befassen. Auch Margus Kurm soll weiter ermitteln. Für Lars Ångström geht es darum zu verhindern, dass die Katastrophe als »einer der größten Rechtsska...

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