• 20 Jahre nach Tschernobyl

Wildschweine und Beeren belastet

Strahlenschutz-Experte: Radioaktives Cäsium bleibt noch lange im Boden

20 Jahre nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sind Wildtiere sowie im Wald wachsende Beeren und Pilze auch in Deutschland immer noch radioaktiv belastet. Das radioaktive Metall Cäsium-137, einer der Hauptbestandteile der Tschernobyl-Wolke, bleibe im Wald sehr lange in den oberen Bodenschichten liegen, sagt Arthur Junkert vom Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter. So gelange der Stoff leicht in Pilze und andere Pflanzen, die dem Wild als Nahrung dienen.
»Bei Wildbeeren sind Heidelbeeren und Preiselbeeren am höchsten belastet, Brombeeren und Erdbeeren liegen im Mittelfeld, Himbeeren weisen die geringste Belastung auf«, erklärt der Strahlenexperte. Maronenröhrlinge und Semmelstoppelpilze lägen bei den Pilzen vorn, es folgen Steinpilze, Pfifferlinge und Parasolpilze. Wildschweine seien deutlich stärker mit radioaktivem Cäsium belastet als Rehe und Rothirsche.

Höchstwerte in Bayern
Die Belastung ist von Region zu Region unterschiedlich. Bei Pflanzen wie Tieren stammen die höchsten aktuellen Messwerte aus den damals stark kontaminierten Gebieten in Südbayern und im Bayerischen Wald. »Hier können auch Steinpilze und Pfifferlinge noch mehrere 100 Becquerel pro Kilogramm aufweisen«, sagt Junkert. Wildschweine liefen im Jahr 2004 mit einer durchschnittlichen Belastung von 7000 Becquerel pro Kilo durch den Bayerischen Wald, bundesweit lag der Mittelwert bei 200 Becquerel.
Die Einheit Becquerel benennt die Anzahl der radioaktiven Zerfälle in einer Sekunde, über die Strahlenbelastung sagt sie noch nicht viel aus. »Als Faustregel gilt, dass die Aufnahme von etwa 80 000 Becquerel Cäsium-137 bei Erwachsenen einer Strahlenbelastung von etwa ein Millisievert entspricht«, so Junkert. Das wäre rund die Hälfte der jährlichen natürlichen Strahlenbelastung, sie liegt in Deutschland im Mittel bei 2,1 Millisievert.
Fachleute streiten seit Jahren darüber, wie viel zusätzliche Strahlung für den Menschen gefährlich ist. »Wer für sich persönlich die Strahlenbelastung so gering wie möglich halten möchte, sollte auf den Verzehr von vergleichsweise hoch kontaminierten Pilzen und Wildbret aus Gebieten wie dem Bayerischen Wald verzichten«, empfiehlt Junkert.
Die radioaktive Belastung von Wald und Wild mit Cäsium-137 werde sich auch in den kommenden Jahren nur langsam verringern. Cäsium-137 hat eine Halbwertzeit von 30 Jahren - solange dauert es, bis die Substanz zur Hälfte zerfallen ist. Im Gegensatz zum Cäsium ist das radioaktive Jod-131 mit einer Halbwertzeit von etwa acht Tagen längst aus den Waldböden verschwunden. Insgesamt waren in der Tschernobyl-Wolke rund 30 verschiedene radioaktive Stoffe. Für die Strahlenbelastung des Menschen spielten Junkert zufolge aber vor allem Cäsium und Jod eine Rolle.

Dichtes Messnetz
Bei ihren Messungen können sich die Behörden auf ein dichtes Netz stützen. Allein das Bundesamt für Strahlenschutz hat mehr als 2000 Messstellen in Betrieb. Zudem misst der Deutsche Wetterdienst die Radioaktivität in Luft und Niederschlag, die Bundesanstalt für Gewässerkunde misst in Kanälen und Flüssen, und das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie untersucht Wasserproben aus den Küstengewässern auf radioaktive Strahlung. Dabei wenden alle beteiligten Behörden einheitliche Probeentnahme- und Messverfahren an. Sämtliche Daten werden im Bundesamt für Strahlenschutz gesammelt und von hier an die Bundesregierung weitergeleitet.

Arthur Junkert ist Pres...

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