Anstieg zum Plan de Corones sprengt alle Dimensionen

Heute beginnt 89. Giro dItalia / Jan Ullrich will »ein, zwei Etappensiege«

  • Tom Mustroph, Mailand
  • Lesedauer: ca. 3.0 Min.
Heute beginnt der Giro d'Italia - und wer Rang und Namen hat in der Radsportwelt, ist dafür diesmal nach Belgien gefahren. Die Organisatoren der Italien-Rundfahrt sind nämlich dem Marketingkonzept der Tour de France gefolgt und verlagern den Auftakt ins Ausland. Gleich vier von 21 Etappen werden vom 6. bis 9. Mai in Belgien ausgetragen. Marketing dominiert also. In Italien grummelt das Fanvolk deshalb: »Das ist kein Giro d'Italia mehr.« Und auch bei den teilnehmenden Mannschaften sowie bei den Organisatoren gibt es Stunk wegen zusätzlicher Transfers, die den Tross erst nach Belgien und dann zurück nach Italien bringen. Sportlich zeichnet sich der 89. Giro d'Italia durch gleich vier Zeitfahren, darunter ein Mannschaftszeitfahren, und fünf Bergankünfte aus. Der Anstieg zum Plan de Corones (am 24. Mai) sprengt dabei alle Dimensionen. Auf den letzten 17 km erklimmen die Rennfahrer einen 1000er Gipfel (von 1012 m auf 2273 m) bei einer Steigung von 13,3 Prozent auf dem letzten Kilometer. Eine kurze Strecke hat gar den sagenhaften Neigungswinkel von 24 Prozent. Kaum zu Fuß zu schaffen, denkt der Laie. Lieber mit dem Skilift hoch, meint der Wintersportexperte. Doch einer war bereits mit dem Rad oben. Gilberto Simoni (Italien), Giro-Sieger von 2001 und 2003, testete hier im Herbst kurz vor dem ersten Schneefall. Im April war sein Landsmann Damiano Cunego (Sieger 2004) auf Erkundungstour. Sein eindeutiger Kommentar: »Unglaublich. Diese Steigung flößt Angst ein. Man muss jedes Detail studieren, denn es reicht hier eine Unachtsamkeit - und man verliert hier den Giro.« Aufatmen lässt ihn allerdings der Gedanke an das Vorjahr. Auch da schien der Colle delle Finestre nicht passierbar. Doch dann schafften die Männer auf den Carbonrädern das Unmögliche. Im übrigen gehört Damiano Cunego vom Team Lampre zu den diesjährigen Top-Favoriten. Bereits fünf Saisonsiege stehen bei ihm zu Buche. Seine Explosivität in den Bergen dürfte ihm gegenüber Ivan Basso (Italien) zum Vorteil gereichen. Über die gesamte Strecke gesehen ist der CSC-Fahrer dennoch der Favorit. Von Jahr zu Jahr hat Basso sich verbessert. Seine einstige Achillesferse, das Zeitfahren, ist mittlerweile fast zu einer Stärke geworden. Auf alle Fälle kann er hier die besten Bergfahrer um Minuten distanzieren. Das einziges Manko bei Basso liegt in der saisonalen Doppelbelastung. Er möchte die Tour de France gewinnen. Daher kann es sein, dass er die letzte Woche des Giro Kraft sparend zu fahren versucht. Ein Harakiri-Unternehmen, denn in der letzten Woche warten die steilsten Anstiege. In die Rolle des Giro-Überraschungssiegers könnte hingegen Tom Danielson schlüpfen. Der US-Amerikaner gilt seit Jahren als potentieller Nachfolger von Lance Armstrong. Er liebt die Berge und ist ein ordentlicher Zeitfahrer. Wegen der Grippeerkrankung seines nominellen Kapitäns, des Titelverteidigers Paolo Savoildelli, könnte das Team von Discovery Channel von Beginn an für Danielson fahren. Voller Interesse verfolgt man in Italien das Giro-Unternehmen von Jan Ullrich. Endlich bereitet sich der T-Mobile-Kapitän mal nicht mit stupiden Trainingskilometern auf die Tour de France vor, sondern baut seine Form in Auseinandersetzung mit den Spitzenfahrern auf - eine Herausforderung nicht nur für den Körper, sondern auch für das Kämpferherz des »ewigen Talents«. Um »ein, zwei Etappensiege« wolle sein Schützling in der letzten Woche mitfahren, kündigte Ullrich-Mentor Rudy Pevenage vorab an. Wenn er sich in den Alpen nicht wettkampfhart zeigt, wird die Zeit zur Vorbereitung auf die Tour de France wahrlich knapp. Leider machen die Rundfahrtstars der spanischen Rennställe diesmal einen Bogen um den Giro. Sowohl der ProTour-Führende und Triumphator von Lüttich - Bastogne - Lüttich, Alejandro Valverde (Iles Balears), als auch die Männer vom Team Liberty Seguros mit Alexander Winokurow, Alberto Contador und Jörg Jaksche haben andere Bausteine im Programm zur Tour-de-France-Vorbereitung gewählt. Womit der Giro weitgehend ein...

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